Samstag, November 22, 2003
 
Hab ich schon erwähnt, dass ich "Matrix Revolutions" gar nicht so schlimm finde? Zumindest nicht so schlimm wie den zweiten Teil der Trilogie. Zwar ist auch "Revolutions" ein flacher Actionfilm, aber wenigstens ein gut gemachter, spannender. Und am Schluss gibt's die wohl momumentalste Zweikampf-Szene der Filmgeschichte zwischen Mister Anderson und Agent Smith. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt nach der Rettung Zions aber selbstverständlich doch. "Matrix", die Revolution des Science-Fiction- und Action-Kinos wurde mit zwei überflüssigen Fortsetzungen zerstört. Und so werde ich die nächsten Jahre damit verbringen, zu versuchen, "Reloaded" und "Revolutions" zu vergessen und "Matrix" als das zu nehmen, was es war: ein Weltklasse-Film. Und hoffentlich kommen die Wachowski-Brüder nicht wirklich auf die Idee, einen vierten "Matrix"-Film zu drehen.

 
Lustigste Songtest-Zeile des Tages:
"Fuck love and hate, let's masturbate to Rock'n'Rollllllllllllllll!"
(My Red Cell - "dedication")

 
Hamburg. Mittwochabend. Marilyn Manson also. Der zweite Besuch in der Color Line Arena innerhalb von 5 Tagen. Vielleicht war ich der einizge, der sich Radiohead und Marilyn Manson in 5 Tagen ansehen kann. Aber mein Musikgeschmack ist nunmal sehr breit gefächert. Das erste, was ich vor der Arena erblickte waren ein paar demonstrierende Jesus Freaks, die anscheinend immer noch mehr als an Gott daran glauben, dass Manson das Böse ist, der Antichrist, der sein Publikum zum Bösen lockt. Nunja. Manson sollte in einer kleinen Ansprache während der Show auch ein bisschen Wasser in die Mühlen der Jesus Freaks kippen ("If god was a woman, i would fuck her in the ass... and if god had just one friend on earth, it would be George W. Bush"). Muss man doch alles nicht so ernst nehmen, liebe Jesus-Jünger, der will doch nur spielen. Gespannt war ich auf das Publikum. So extrem, wie ich hoffte, war es aber nicht. Ein seltsamer Mix aus 3-Kilo-Make-up-Gothics, bierbäuchigen Dorf-Metallern, ein paar Punks und sehr vielen Normalos. Erschütternderweise hatten sich wieder Tausende Leute dazu entschlossen, Sitzplatzkarten zu kaufen. Warum nur? Es gibt wohl fast keinen peinlicheren Anblick als Punks, die beim einem Manson-Konzert auf der Tribüne hocken. Ist denn mit der Jugend heutzutage gar nichts mehr los? ;-) Zahlenmäßig würde ich auf ein paar weniger als beim Radiohead-Konzert tippen, also etwa 4.500. Manson-Support war Peaches. Ich schrieb auf diesen Seiten vor ein paar Wochen, dass ich Peaches hasse. Und wirklich grundlegend hat sich am Mittwochabend nichts daran geändert. Peaches war ziemlich scheiße. Ein 45 Minuten langer, langweiliger Track mit einer obszönen Frau, die allein auf der Bühne rumhampelt. Das Publikum, das nunmal wegen Manson da war, konnte nichts mit Peaches anfangen, sie erntete Buhrufe und verbrachte die meiste Zeite damit, zu erwähnen, dass sie ja von Mister Manson eingeladen worden war und wir entweder mitmachen oder "fuck off"en können. Fast alle entschieden sich für zweitere Lösung, was in der weinerlichen Peaches-Aussage "You are so cruel, i'm gonna tell everybody 'bout that" gipfelte. Nach einer langen Umbaupause ertönten dann wohlige Klänge und Herr Manson betrat mit seiner Band endlich die Bühne. Selbstverständlich mit dem Opener "The new shit". Eine genaue Setlist kann ich nicht liefern, aber die Show bestand aus den Tracks des aktuellen Albums "the golden age of grotesque" und ein paar alten Hits incl. der Cover "sweet dreams" und "tainted love". Insgesamt waren es nur ca. 80 Minuten. Das Konzert war meine erste Manson-Show, also fehlen mir die Vergleichsmöglichkeiten. Vom Live-Entertainment-Faktor würde ich Manson aber gleich hinter Robbie Williams ansiedeln (seltsamer Vergleich, ich weiß...). Manson gibt alles auf der Bühne, wechselt 5-10 mal seine Outfits. Auch das Bühnenbild war vom Feinsten. Anfangs gab es im Hintergrund eine Wand mit monumentalen Säulen, später u.a. einen riesigen mit Luft gefüllten Marilyn-Micky-Maus-Manson-Kopf. Außer der Band waren auch ständig zwei Frauen auf der Bühne, die tanzten, trommelten, Klavier spielten oder Manson mit (simuliertem) Oralverkehr beglückten. Fazit: Für Leute, die harte Musik und provokative, ab und zu obszöne Kunst nicht von vornherein ablehnen, bietet eine Marilyn-Manson-Show eine Menge Spaß.

Dienstag, November 18, 2003
 
Die Stone Temple Pilots sind anscheinend endgültig tot. Sänger Weiland singt ja seit einiger Zeit bei Velvet Revolver, der Band von Slash und vielen anderen Ex-Guns'n'Roses-Mitgliedern. Und in einem Interview mit dem Magazin "Guitar One" haben die beiden Brüder Dean und Robert DeLeo nun bekanntgegeben, dass die Veröffentlichung des Best-of-Albums "Thank You" das Ende der Band wäre. Traurig. Über weite Teile der 90er waren STP eine meiner absoluten Lieblingsbands. Schade, dass ich hier in Hamburg keine STP-Platten dabei habe, sonst würd ich sie jetzt alle hören. So bleibt nur die Video-Clip-Sammlung auf der STP-Website.

 
Und so fuhr ich also nach Hamburg, um die Melancholie der vorigen Tage hinter mir zu lassen. So ganz ist es mir noch nicht gelungen, aber dennoch hat Hamburg mich wieder nicht enttäuscht. Es ist und bleibt die Stadt meines Herzens, meiner Seele. Erstmal gab es am Samstag aber eine lange Zugfahrt, versüßt durch Musik von Radiohead, My Vitriol, Trail of Dead und den Deftones. Genau richtig, um nichts von den nervenden Menschen mitzubekommen, die im selben Zug sitzen. Kurz nach 8 kamen wir in der seltsamen Color Line Arena an, in der an diesem Abend eine der besten Bands der Welt 5.000 Leute glücklich machen sollte: Radiohead. Als Support-Act war die Asian Dub Foundation gebucht. Sie spielten schon, als wir eintrafen - und waren für Leute, die solche Musik mögen, sicher auch sehr unterhaltsam. Problem leider: Das Publikum war wegen Radiohead gekommen. Und nicht jeder Radiohead-Fan hat denselben Musikgeschmack wie Thom Yorke (der ein großer ADF-Fan ist). So kam zwar etwas Stimmung bei der Asian Dub Foundation auf, aber nicht wirklich viel. Gegen 21.15 Uhr war es dann endlich so weit. Lichter aus, brillante Light- und Videoshow an. Und Musik, die nicht besser sein kann. Wie erwähnt waren 5.000 Leute in der Color Line Arena - 10.000 passen angeblich rein. War also weit davon entfernt, ausverkauft zu sein. Verblüffend war vor allem die Leere im Innenraum, der maximal zur Hälfte gefüllt war. Die Plätze auf den Rängen dagegen waren gut gefüllt. Ich werde in meinem ganzen Leben nicht verstehen, warum jemand, der nicht mindestens 50 Jahre alt oder gehbehindert ist, eine Sitzplatzkarte für ein Rockkonzert kauft. Die Karten waren genauso teuer wie die für den Innenraum - und die Stimmung auf der Tribüne war sicher nur zu einem Bruchteil so gut wie die im Innenraum. Und wenn man dann Mädels vor ihren Schalensitzen tanzend auf den Tribünen sieht, kann man nur noch mit dem Kopf schütteln. Zurück zu Radiohead: Sie zeigten wieder einmal, dass sie eine der besten Livebands sind, die wir haben. Songs aus fast allen Alben, zum Teil deutlich variiert zu den Studio-Aufnahmen. Radiohead sind wirklich fantastische Musiker, bei denen es sogar dann Spaß machen würde, ihnen zuzusehen, wenn man die Musik nicht mögen würde. Überraschend gut war der Sound in der Color Line Arena. Ich kann mich an kein Konzert erinnern, bei dem der Sound so klar und perfekt abgestimmt war wie bei diesem. Besonders gefreut hab ich mich, dass die Band diesmal im Gegensatz zum Southside-Festival im Sommer auch meinen Lieblings-Track vom aktuellen Album "Scatterbrain" gespielt haben. Mein persönlicher Höhepunkt war aber auch diesmal "Karma Police". Zumal sie diesen Klassiker in Oberhausen und Berlin nicht gespielt hatten. Ohnehin sah die Setlist wieder vollkommen anders aus als bei den Gigs der vergangenen Tage. Das einzige, worauf man sich bei einem Radiohead-Konzert verlassen kann, ist der Schlusspunkt: "everything in its right place" mit anschließendem mehrminütigem Elektrogefrickel. Mein Fazit: Ein Radiohead-Konzert ist ein Ereignis für Kopf, Seele, Augen und Ohren. Das Konzert in Hamburg war absolut großartig. Auch wenn mir persönlich der Southside-Auftritt im Sommer noch ein bisschen näher gegangen ist - aber das mag an meiner eigenen Befindlichkeit und der Stimmung im Sommer unter freiem Himmel liegen. Zum Schluss noch die Setlist (mit Dank an Thomas fürs Mitschreiben):

01 the gloaming
02 2+2=5
03 morning bell
04 myxomatosis
05 lucky
06 scatterbrain
07 exit music
08 i might be wrong
09 go to sleep
10 sail to the moon
11 there there
12 dollars & cents
13 karma police
14 backdrifts
15 idioteque
16 paranoid android
17 sit down, stand up

encore 1
18 where i end and you begin
19 the national anthem
20 a punch up at a wedding
21 street spirit

encore 2
22 just
23 everything in its right place

Und am Donnerstag oder Freitag gibt's dann meinen Bericht vom zweiten popkulturellen Großereignis innerhalb von 5 Tagen: Marilyn Manson - ebenfalls in der Color Line Arena. Erlebe ich die größte Show meines Lebens? Bleiben Sie dran, verehrte Leser und sie werden es erfahren...