So. Hier der Start der versprochenen, pfingstlichen Chart-New-Entries-Aufholjagd. Die Folge vom 25. April folgt hoffentlich noch später am Abend. Hier sind aber erstmal die Neu-Einsteiger der deutschen Singlecharts vom 18. April 2005:
97: Krypteria – “victoriam speramus” / Video
Krypteria hatten Anfang des Jahres mit “liberatio” einen Hit, weil RTL den Song zur Tsunami-Hymne machte. Im Mai kommt nun ein neues Album und vorher die neue Single “victoriam speramus”. Dass sie kein großer Hit werden würde, war eigentlich von vornherein klar. Der Song ist der Vorgänger-Single zu ähnlich, der Stil der Musik ziemlich antiquiert und der Benefiz-Charakter fehlt auch. “victoriam speramus” ist übliches Engima-mäßiges Orchester-Pathos-Gedudel, gepaart mit ein paar Gothic-esken Ryhthmen. Allerdings fehlt die Killer-Melodie, was dieser Art von Musik wirklich nicht gut tut. 3 von 10 Punkten.
95: K-OS – “crabbuckit” / Video
Eine positive Überraschung im Hip-Hop-Sumpf. K-OS kommt aus Kanada und paart seinen Rap mit jazzigen Big-Band-Ryhthmen und einem Sample aus The Cures “the lovecats”. Die Raps passen gut zur Musik, gehen ab und zu auch in Gesang über. Heraus kommt ein Stück, dass dem derzeitigen Hiop-Hop-Zeitgeist völlig widerspricht. Und gerade deswegen ziemlich hörbar ist. 5 von 10 Punkten.
89: Murphy Brown – “don’t stop the rock 2.5/dance” / Video nicht verfügbar
Ob sich dieser Herr nach der grottigen US-Sitcom “murphy brown” benannt hat, weiß ich nicht. Was ich allerdings weiß, ist, dass der Frankfurter DJ bekannt wurde, als er 2003 mit Captain Hollywood die Titelmelodie von “Beverly Hills Cop” neu aufgenommen hat. Keine gute Voraussetzung also für eine hohe Punktzahl. Die Rest-Chance vergibt er dann auch schon nach wenigen Sekunden des Songs. Der Track ist ein völlig inspirationsloser Kirmestechno-Track, der so auch 15 Jahre alt sein könnte. Die übliche Melodie, die üblichen Beats, die üblichen Vocals à la “check it out”. Langweilig! 1 von 10 Punkten
85: Beatfactory/Massiv 4 – “sugar, sugar” / Video nicht verfügbar
Apropos Kirmes-Techno. Dieser Track war in doppeltem Sinne unvermeidlich. Erstens ist es nunmal gerade in, alte Klassiker in Dance-Rhythmen zu verpacken, andererseits gibt es gerade den Hip-Hop-Hit “nasty girl”. Kein Wunder also, dass jemand auf die Idee gekommen ist, das “nasty girl”-Original “sugar, sugar” der Archies in Techno-Beats zu pfropfen. In diesem Fall waren es zwei Österreicher. Herausgekommen ist ein grauenhaftes Stück Musik, das absolut unhörbar ist. Das Schlimmste sind aber all die Kids, die sich wahrscheinlich fragen, wer denn hier “nasty girl” umgetextet hat. 1 von 10 Punkten.
63: Garbage – “why do you love me” / Video
Nach dreieinhalb Jahren etwas Neues von Garbage. Nachdem ich die Band vor zwei der drei Jahren auch mal live gesehen habe, freute ich mich auf “bleed like me”, das neue Album. Allerdings ist die Freude sehr schnell Enttäuschung gewichen. Die Platte ist extrem mittelmäßig geworden. “why do you love me” sticht dabei heraus, eine gute Entscheidung also, den Song als Single und Video zu veröffentlichen, um die Album-Verkäufe in die Höhe zu pushen, bevor sich rumspricht, dass es nicht kaufenswert ist. Der Song ist ein ohrwurmiger, allerdings auch wenig überraschender Rocksong, der erst mitreißt, dann aber kein bleibendes Gefühl hinterlässt, sondern irgendwann nervt. 6 von 10 Punkten.
56: Wunder – “was hält uns wach” / Video
Puh. Das kommt also dabei heraus, wenn ein Trend “Deutsch-Pop” heißt. Wunder ist eine Band, die es schon seit zehn Jahren gibt und die nun ihren kommerziellen Durchbruch feiern darf. Und warum? Weil die Band eine SängerIN hat und weil sie im Vorprogramm von Juli spielen durfte. An der Musik kann es nämlich nicht liegen. Bei “was hält uns wach” fragt man sich dreieinhalb Minuten lang, was bitteschön das denn ist. Von Rosenstolz produzierter Schlagerquatsch? Mit Beats, die fast Kirmestechno-Niveau erreichen? Und einem Text, dessen Niveau sich ebenfalls in Dance-Gefilden bewegt? Eins ist es auf jeden Fall: völlig überbewerteter Pop, der ohne Juli-Hilfe niemals mehr als zehn Käufer gefunden hätte. 2 von 10 Punkten.
52: Members of Mayday – “prototypes” / Video
Alle Jahre wieder gibt’s in Dortmund Mayday und die dazu gehörende Single von den Members of Mayday. Ob die Veranstaltung von Jahr zu Jahr trauriger wird, weiß ich nicht, der Song wird es auf jeden Fall. Gehörten die Herren Jankuhn und Lenz einst zu den Speerspitzen einer Jugendbewegung, fällt ihnen nun absolut nichts mehr ein. “prototypes” klingt so wie die Mayday-Songs immer klangen. Viel zu sehr. 1996 reichte das noch für Nummer 1, 2005 nur noch für Platz 52. Völlig langweilig. Leider. 3 von 10 Punkten.
49: Freeloaders/The Real Thing – “so much love to give” / Video nicht verfügbar
Kirmes-Techno, Deutsch-Pop, Hip-Hop. Welcher Trend fehlt also noch in dieser Charts-Woche? Richtig. Eric-Prydz-House. Auch “so much love to give” ist einer dieser pumpenden House-Tracks mit einem Sample aus einem alten Hit. Der alte Hit heißt “love’s such a wonderful thing” und stammt von The Real Thing. Die Freeloaders haben eine Zeile aus dem Original genommen, die House-Beats drumrumgebaut und fertig ist der Hit. Allmählich reicht’s dann aber auch mit den Eric-Prydz-Soundalikes. 4 von 10 Punkten.
43: Gigi D’Agostino – “wellfare” / Video
Das nimmt aber auch kein Ende mit dem Kirmes-Techno in dieser Woche. Nun ist auch noch der Altmeister des Italo-Kirmes-Technos dran. Gigi D’Agostino liefert mit “wellfare” einen seiner üblichen, viel zu süßlich klingenden Tracks ab, singt irgendwas von “i wanna see the sun that shines above the mountains white with snow” und sehr viel “lalalalalalala”. 2 von 10 Punkten.
39: Brothers Keepers – “bereit!” / Video
Lang nichts mehr von Tante Naidoo gehört, freut man sich noch in einem Moment, als man auch schon die neue Brothers-Keepers-Single um die Ohren gehauen kriegt. Wieder kämpft neben Naidoo eine ganze Armada von deutschen Rappern wie Denyo, D-Flame, Afrob, Torch und anderen Künstlern für Toleranz. Der Song kommt zwar nicht an den 2001er-Hit “adriano” heran, setzt sich aber in Sachen Anspruch und künstlerischer Kreativität von dem ansonsten meist extrem schlimmen deutsche Hip-Hop-Müll ab. 5 von 10 Punkten.
32: Melanie C – “next best superstar” / Video
Damals, nach dem Split der Spice Girls, überraschte Melanie C mit einem sehr hörbaren Poprock-Album und bewies, dass sie die talentierteste der Spice Girls war und keinen Fußballstar heiraten musste um im Rampenlicht zu bleiben. Nach einem Fehltritt, der Kollaboration mit Schwuchtelrock-Opa Bryan Adams, steht nun ein neues Album in den Läden. “beautiful intentions” heißt es und “next best superstar” ist die erste Single daraus. Und wieder ist Frau C ein sehr hörbares Popstück gelungen. Eine Mega-Ohrwurm-Melodie, ein paar rockige Gitarren, Melanie Cs unverwechselbare Stimme. Wirklich gelungen. 7 von 10 Punkten.
24: Bushido produziert Sonny Black – “nie ein rapper” / Video
Ach, beinahe wäre ich drumrum gekommen. Aber auf Platz 24 findet sich dann doch noch eine Veröffentlichung aus meinem Lieblings-Genre. Bushido rappt als Sonny Black irgendwas davon, er wäre nie ein Rapper gewesen. Und ich denke dabei: Ach hätte er bloß recht. Immerhin verzichtet er mit seinem neuen Kollegen MC Saad komplett darauf, Kollegen zu dissen. Vorerst. Trotzdem geht mir das Stück extrem auf den Sack. 1 von 10 Punkten.
18: Die Gerd Show – “schri-schra-schrödi” / Video
Der Tiefpunkt der dieswöchigen Charts-Betrachtung kommt zum Schluss. Nach dem “schnappi” nun schon 18 Wochen in den Charts ist, kommt Elmar Brandt endlich auf die Idee, seine Version als Single zu veröffentlichen. Schlimmerweise haben sich auch noch so viele Käufer gefunden, dass es für den höchsten New Entry der Woche reicht. Brandt singt als Kanzler einen überaus peinlichen Text zur “schnappi”-Melodie und nervt dabei noch viel viel mehr als “schnappi” es je könnte. Glasklare 0 von 10 Punkten.
Die Top 5 vom 18. April 2005:
1 (2) Mario – “let me love you”
2 (3) 50 Cent – “candy shop”
3 (1) Sarah Connor – “from zero to hero”
4 (5) Nena – “liebe ist”
5 (4) Fettes Brot – “emanuela”
Ebenfalls erschienen, aber gefloppt:
– Anajo – “monika tanzband”
– Extrabreit – “neues spiel”
– Frank Popp Ensemble – “robbi, tobbi und das fliewatüt”
– Hell – “je regrette everything”
– Kasabian – “55 (live)”
– Peter Schilling – “weit weg”
– Phillip Boa – “20 years of indie cult”
– Stereophonics – “looks like chopin”
– VNV Nation – “chrome”