charts (2005-04-25).
Hier ist die nächste Charts-Woche. Diesmal mit verblüffend wenig Hip Hop und Kirmes-Techno, dafür mit vielen anderen Genres, guten Songs und absolutem Müll. Hier sind die Neu-Einsteiger der deutschen Singlecharts vom 25. April 2005:
100: Daft Punk – “robot rock” / Video
Zugegeben, das neue Daft-Punk-Album “human after all” ist kein wirklicher Knaller. Die besten Zeiten haben die beiden Franzosen wohl hinter sich. Die neue Single “robot rock” allerdings ist durchaus hörbar. Ein paar rockige Gitarren, dazu die typischen Vocoder-Synthi-Klänge, ab und zu ein verzerrter “robot rock”-Sample und schon nehmen die Beats Besitz vom Körper. Noch mehr Punkte hätte es gegeben, wenn eine Prise mehr Abwechslung dagewesen wäre, so aber immerhin 7 von 10 Punkten.
99: Jack Johnson – “sitting, waiting, wishing” / Video
Ein gut aussehender Amerikaner mit melancholischer Stimme und einer Akustik-Gitarre. Klarer Fall: absoluter Mädchen-Pop. Aber: Der Song schleicht sich ganz fies und ganz langsam ins Ohr und will da einfach nicht wieder raus. Man meint, ihn schon lang zu kennen, weiß aber nicht woher. Und ob Jack Johnson nun credibil ist oder nicht? Mir egal. Ein absolut schönes Stück Popmusik. 7 von 10 Punkten.
87: Michelle – “vielleicht nur einmal im leben” / Video nicht verfügbar
Hilfe. Die depressive Schlagersängerin ist wieder da. Pünktlich zur Tour-Absage und den damit verbundenen Schlagzeilen steigt die neue Single in die Charts ein. Zufall? “vielleicht nur einmal im leben” ist süßlich-schlimmer Schlager für Grenzdebile und gäbe es einen Wettbewerb im Phrasendreschen, Michelle hätte gute Chancen. Ganz schlimme Musik. 0 von 10 Punkten.
75: Lukas Hilbert – “stell dir vor” / Video
Nach gefühlten 312 Schmalz-Balladen findet Lukas Hilbert nun zu seinen Rock-Wurzeln zurück. “stell dir vor” ist aber trotzdem einer der üblichen Hilbert-Songs von der Stange. Mit Zeilen wie “stell dir vor, die casting-shows werden ihre stars nicht los” liefert er hier einen ziemlich dreisten Mix aus “könig von deutschland” und “we didn’t start the fire” ab. Kleiner Trost: Nach den Plätzen 3 und 18 seiner beiden letzten Singles gibt’s diesmal nur Rang 75. Ein untergehender Stern. 1 von 10 Punkten.
68: Daniel Hoppe feat. Paul King – “love & pride 2005” / Video
Paul King. “love & pride”. Einer meiner absoluten Lieblings-Songs der 80er. Der spätere MTV-VJ, hatte 1985 mit “love & pride” seinen einzigen Hit. In Deutschland gab es Platz 8, in England sogar Rang 2. 20 Jahre später kommt nun ein Münsteraner mit dem hippen Namen Daniel Hoppe und macht daraus eine Eric-Prydz-House-Nummer. Skepsis war also angebracht. Doch zu meiner Überraschung klingt der Track gar nicht sooo peinlich und zerstört das Original nicht. Die Beats halten sich zurück, die Lyrics wurden von Paul King angeblich sogar neu eingesungen, sodass er auch noch ein paar Euros absahnt. Trotzdem hier nochmal meine aufforderung: bitte keine weiteren Pump-House-Tracks! Für “love & pride” gibt’s aber wegen des brillanten Originals noch 6 von 10 Punkten.
48: DJ BoBo – “amazing life” / Video
Huch. Den hätte man ja beinahe nicht erkannt. DJ BoBo hat anscheinend keine Lust mehr auf seine immergleichen Dance-Tracks und versucht sich stattdessen in Kirmes-Trance-Gefilden. Dass das nun grundlegend besser ist als seine übliche Musik muss aber verneint werden. Denn platt und peinlich bleibt seine Musik trotzdem. 2 von 10 Punkten.
43: 3rd Wish – “i am” / Video
Gruselig. Die Jungs, die im letzten Sommer “obsesion” gecovert haben und damit einen Top-5-Hit hatten, sind mit einer neuen Single zurück. “i am” klingt, als hätten die drei verpasst, dass es die Backstreet Boys oder N’Sync schon lang nicht mehr gibt. Retro-Boyband-Musik der schlimmsten Sorte. Irgendwann fängt dann auch noch ein untalentierter Rapper an, ein paar Verse völlig unpassend mitten in den Song hineinzurappen. Keine Ahnung, unter welcher Ohrenkrankheit der Produzent während der Aufnahme litt. 1 von 10 Punkten.
32: Infernal – “from paris to berlin” / Video
Wow. Mal ein Dancehit, der sich nicht an irgendeinen Trend ranhängt, keinen 80er-Hit covert und nicht 15 Jahre alt klingt. Infernal kommen aus Dänemark. “from paris to berlin” hat schon ganz Skandinavien erobert. Der Discosong mit treibenden Bässen klingt erfrischend, wird zwar irgendwann langweilig, weil sich die Lyrics zu oft wiederholen, ist aber dennoch absolut okay. Vor allem gibt es hier mal eine Sängerin, die nicht nur da ist, weil das zu Dancemusik einfach dazugehört, sondern eine Sängerin, die eine prägnante Stimme hat und auch noch singen kann. 5 von 10 Punkten.
31: Apocalyptica – “life burns” / Video
Von Dänemark nach Finnland, von der Disco auf den Friedhof. Die unvermeidlichen Cello-Metaller Apocalyptica sind mit der nächsten Single da. Ville Valo ist diesmal nicht mit dabei, Lauri Ylönen schon. Und so klingt der Track auch gar nicht mehr nach Apocalyptica, sondern eher nach Ylönens Band The Rasmus, die Celli spielen keine große Rolle. Während die erste Single mit Valo und Ylönen noch etwas hatte, driftet dieser Track in ziemliche Belanglosigkeit ab. Ein relativ harter Metal-Song. Dass er dennoch so weit oben gechartet ist, liegt wohl an den kleinen Mächen, die Ylönen immer noch soooo süß finden. 3 von 10 Punkten.
18: Joana Zimmer – “i believe” / Video
Das musste ja was werden. Eine 22-jährige, blinde Sängerin, die nebenbei noch als Model arbeitet und Marathon läuft, covert einen Klassiker. “i believe” ist 11 Jahre alt und stammt von Marcella Detroit, einem Ex-Mitglied von Shakespear’s Sister. Auch wenn der Song damals in Deutschland nur auf Platz 81 war, man kennt ihn. Zimmers Leistung besteht darin, das Original mit Celine-Dion-artiger Stimme nachzusingen. Wirkliche eigene Einflüsse sind kaum heraushörbar. Mitproduziert hat im Übrigen Nik Kershaw, die 80er-Ikone. Für “i believe” gibt’s 3 von 10 Punkten.
6: Schnappi und das Lama – “ein lama aus yokohama” / Video
Und wie in der Vorwoche kommt der Tiefpunkt zum Schluss: Schnappi, das nervende Krokodil, bzw. Joy, das verkaufte kleine Mädchen sind wieder da. “ein lama aus yokohama” ist der unvermeidliche zweite Hit, der nicht an “schnappi”, das damals anfänglich noch lustig war, herankommt. Alle die über 5 Jahre alt sind und sowas hören, sollten wohl mal über ihren geistigen Zustand nachdenken. Kinderlieder in den Charts – hoffentlich hat das bald ein Ende. 0 von 10 Punkten.
Die Top 5 vom 25. April 2005:
1 (2) 50 Cent – “candy shop”
2 (1) Mario – “let me love you”
3 (3) Sarah Connor – “from zero to hero”
4 (4) Nena – “liebe ist”
5 (5) Fettes Brot – “emanuela”
Ebenfalls erschienen, aber gefloppt:
– Dorfdisko – “unterwegs”
– Geier Sturzflug – “schwarzarbeit”
– Jimmy Eat World – “work”
– Ludacris – “get back”
Zu “43: 3rd Wish – “i am—:
Die Backstreetboys gibt es leider noch und sie bringen demnächst Ihre Comecback-single (Incomplete)… hab zwar bisher nur Gutes davon gehört (soll nicht mehr sooo boygroup-typisch sein), aber mir grauts trotzdem schon :-/
ja, ich weiß. und mir geht’s da ganz ähnlich wie dir…
bitte, spaßeshalber eine rezension zu “dorfdisko” – unterwegs! :-) bitte…
32: Infernal – “from paris to berlinâ€
Bist du dir sicher, dass du den Song gehört hast, der sich hinter dem Link versteckt?
Die Musik ist noch schlechter zusammenkopiert worden, als das Video. Ich weiß gerade leider nicht, was die jeweiligen Originale sind, aber irgendwie kam mir das seeeehr bekannt vor. Ich muss dir auch beim Gesang widersprechen.. sowas Schlechtes hab ich schon lange nicht mehr gehört
Vielleicht solltest du nochmal kurz in dich gehen und den Text anschließend korrigieren ;)
aha… schnell mal “schlau gemacht”: “dorfdisko” ist nicht das, wonach es sich anhören mag… :-)
ich weiß ja auch, wie das ist mit dem Pauschalisieren, blabla blub und dass das nicht immer so 100% ernst zu nehmen ist und dass man da doch nicht so kleinlich sein soll und überhaupt. Möchte aber doch mit Nachdruck eines loswerden: Das, was momentan unter HipHop oder Rap in den Charts läuft, sieht sich selbst nicht wirklich als HipHop an und wird von sehr vielen aktiven, mitwirkenden HipHoppern auch nicht als HipHop wahrgenommen. Daher sagt ja der Gesichtselfmeter von einem Bushido auch, dass er nie ein Rapper war. Er will bloß Geld verdienen, indem er böse guckt und den Kindern ein paar Märchen auftischt, das noch möglichst beschissen formuliert usw. usf. Dasselbe gilt für Fler, ich könnte mich weiter aufregen.
Ich weiß, wie schwer das dem halbwegs gebildeten Milieu fällt, HipHop nicht nur als Dreck wahrzunehmen, so lange nur Scheiße in die Charts kommt. Aber ihr hängt es ja auch nicht Jimi Hendrix an, wenn Kid Rock mal wieder einen seiner Fürze loslässt.
Ich will ja auch gar nichts be- oder empfehlen, nur darum bitten, dass du nicht mehr von HipHop sprichst, wenn du eine sich dem Rap bedienende Industriehure vom Schlage eines Bushido besprichst.
ups, das hätte ein, zwei Neuigkeiten früher reingehört, vielleicht liest es aber so jemand.
Nachtrag zu meinem Kommentar weiter oben: Wie man hier schön sehen kann, haben sie sich wohl bei Mister President – Up’n Away bedient *grusel*
ich mache mir langsam ernsthaft sorgen, dass die charts so gut werden, dass mr. popkulturjunkie vor lauter begeisterung gar nicht mehr dazu kommt, die plätze 1 – 9 seiner lieblingsplatten vorzustellen… nee nee