Archive for June, 2003

0

Heute an dem historischen Tag, an dem die erste Montags-Ausgabe der “Harald Schmidt Show” läuft, fällt das Fernbedienen des Fernsehers mal wieder besonders schwer. Denn: Parallel zu Schmidt gibt’s bei “Fast Forward” ein garantiert sehr schönes Interview von Charlotte Roche mit dem großen Thees Uhlmann, Label-Gründer, Buchautor und Chef der besten Hamburger Band Tomte. Zum Glück hat der liebe Gott Videorecorder erfunden…

0

Und dann war ich noch im Kino und habe “Hero” gesehen. Den von allen Kritikern in den Himmel gelobten chinesischen Historien-Film. Er war wirklich gut. Kurz zum Inhalt: 3. Jahrhundert vor Christus. Ein mysteriöser, namenloser Kämpfer erhält eine Audienz beim tyrannischen König Qin. Grund: Er hat angeblich drei böse Qin-Attentäter getötet. Doch war das wirklich so? Oder versteckt unser Held ein kleines Geheimnis? Im Gespräch zwischen Qin und den namenlosen Helden wird die wahre Geschichte in Rückblicken erzählt. Viel wichtiger als die Handlung ist aber die Optik des Filmes. Überwältigende, epische Bilder. Ein wunderschönes Spiel mit Farben. Und dazu eine absolut hörenswerte Filmmusik. Allen, die Schwertkämpfe und asiatische Kampfsport-Auseinandersetzungen nicht von vornherein ablehnen, sei “Hero” ans Herz gelegt. Ein wirklich schöner Film. Und beim Thema Kino fällt mir ein, dass ich mich noch gar nicht am “Matrix Reloaded“-Bashing beteiligt habe. Als großer “Matrix”-Fan konnte ich mir den zweiten Teil der Trilogie natürlich nicht entgehen lassen. Aber auch ich war extremst enttäuscht. Ein schlechter, flacher Action-Film ohne nennenswerte Handlung, dem der Charme des Originals komplett fehlte. Teilweise sackte “Reloaded” sogar ins peinliche ab: Morpheus’ Rede in Zion! Das Erste, was mir nach dem Film in den Kopf kam war: Hoffentlich kommen die Wachowski-Brüder nicht in 15 oder 20 Jahren auf die glorreiche Idee: Jetzt machen wir noch drei “Matrix”-Filme, die vor dem ersten spielen. Aber bei aller Enttäuschung: Ende des Jahres rennen wir doch ohnehin wieder alle ins Kino, um Teil 3 zu sehen, oder?

0

und als Extra-Service noch die Setlist des besten Southside-2003-Konzertes, dem von Radiohead:

01 there there
02 2+2=5
03 my iron lung
04 lucky
05 morning bell
06 scatterbrain
07 national anthem
08 the gloaming
09 where i end and you begin
10 just
11 exit music
12 go to sleep
13 sail to the moon
14 i might be wrong
15 paranoid android
16 idioteque
17 everything in it’s right place

zugaben:
18 fake plastic trees
19 sit down. stand up
20 karma police
(Quelle: At Ease / Radiohead)

Diejenigen, die hören wollen, wie Radiohead im Sommer 2003 klingen, sollten mal in den dunklen Ecken des Internets suchen. Da gibt’s nämlich einen qualitativ absolut empfehlenswerten Mitschnitt des Glastonbury-Auftritts vom 28. Juni. Aber von mir habt Ihr den Tip nicht ;-)

1

Höchste Zeit für das persönliche popkulturjunkie-Southside-Fazit.
Freitag. Nachdem unsere Zelte um ca. 1815 aufgebaut waren, ging es für die letzten Songs von Union Youth vor die Hauptbühne. Kleine Nirvana-Möchtegerns, die aber durchaus nette Musik machen. Am Ende des Gigs haben die kleinen Jungs auch ganz brav all ihre Instrumente kaputtgemacht ;-) Schade, dass ich nicht das gesamte Konzert gesehen habe. Da Asian Dub Foundation so gar nicht mein Ding ist, gab es eine kleine Pause, bis um 2015 die Counting Crows auftraten. Die Band existiert ja schon ewig und sie haben in der langen Zeit einige absolute Perlen auf den Markt gebracht. Ich erinnere nur an das wunderschöne “Colorblind” aus dem “Eiskalte Engel”-Soundtrack (das bei Southside leider nicht gespielt wurde). Mir hatte das Konzert eindeutig zu viele Längen. Zwischen den wenigen Melodien hat die Band immer wieder minutenlange Belanglosigkeiten gespielt. Um 2145 folgte dann der erste große Höhepunkt des Festivals: Underworld. Sämtliche hohen Erwartungen wurden komplett erfüllt. Auch wenn das neuere Album nicht der Ober-Reißer war, Underworld sind eine absolut geniale Live-Band. Rick Smith spielte den Schüchternen hinter den Computern und Karl Hyde flippte auf der Bühne aus. Er genoss es absolut, das Publikum hinter sich zu bringen und nutzte die komplette Breite der Bühne für seine Show. Klarer Höhepunkt des 75 Minuten langen Auftritts: der Klassiker “Born slippy”, der auch nach 100mal Hören noch Gänsehaut verursacht. Um 2330 folgte mein persönliches Southside-Highlight: Radiohead. Nachdem ich zuerst Probleme mit dem neuen Radiohead-Werk “Hail to the Thief” hatte, hab ich nach ein paar mal Hören die Großartigkeit erkannt und höre seitdem kaum etwas anderes. Mittlerweile denke ich, dass “Hail to the Thief” dem Meisterwerk “OK Computer” in Nichts nachsteht. Dementsprechend war meine Neugierde auf das Konzert. Schließlich hatte ich vorher noch nie das Vergnügen, Radiohead live zu sehen. Der Auftritt war wirklich richtig gut. Auch dank der Dunkelheit war die Stimmung extrem intensiv. Der kleine, eigentlich schüchterne Thom Yorke war richtig gut drauf, flippte bei einigen Songs komplett aus und sprang über die Bühne. Radiohead haben neben vielen Songs aus dem neuen Album auch Sachen aus den Vorgängern “Amnesiac“, “OK Computer” und “The Bends” gespielt. Zu den Highlights gehörten meiner Meinung nach vor allem der Opener “There there”, das wunderschöne “Scatterbrain” aus “Hail to the Thief” und “Paranoid Android” aus “OK Computer”. Endgültig gewonnen hatte die Band im popkulturjunkie-Southside-Ranking, als sie als letzte Zugabe noch “Karma Police” spielten. Was für ein krönender Abschluss für den ersten Festival-Tag.

0

Samstag. Die erste Festival-Nacht war extrem kalt. Höchste Zeit also, am Samstagmittag mit warmer Musik wieder Normal-Temperatur zu erlangen. Erster Programmpunkt für mich: Pinkostar um 1250 auf der Hauptbühne. Ich kannte bis dahin nur den kleinen Hit “Too many Scars“, der Lust auf mehr machte. Pinkostar waren auch nicht schlecht. Der Sänger war zwar etwas etwas prollig, aber egal, die Musik zählt und die war absolut okay. Danach ging es zu Kettcar vor die Zeltbühne. Und da begann der zweite Festival-Tag dann richtig. Was für eine großartige Stimmung um 1320 mittags. Dass die Band aus Hamburg viele Fans hat und live äußerst gut ist, hatte ich vorher schon gewusst. Aber diese Stimmung zu dieser Tageszeit war wirklich der Hammer. Richtig gute Musik (Höhepunkt: “Landungsbrücken raus“). Und ich werde Kettcar demnächst unbedingt mal bei einem Einzel-Konzert sehen müssen. Noch größer war die Stimmung dann bei Nada Surf. Das Zeltbühnen-Publikum ging richtig mit und feierte die New Yorker Band von Beginn bis zum letzten Ton. Besonders cool war, dass Nada Surf am Ende des Konzertes gebeten wurden, noch etwas länger zu spielen. Aus welchen Gründen auch immer. So kam das Southside-Publikum dann sogar noch in den Genuss des sieben Jahre alten Klassikers “Popular”, der damals bei MTV rauf und runter gespielt wurde. Nach diesen beiden gelungenen Konzerten verließ ich mit einem Grinsen im Gesicht die Zeltbühne. Danach fiel die Entscheidung schwer: die lustigen International Pony oder die mir musikalisch näher stehenden Starsailor? Ich entschied mich für Starsailor. Vielleicht ein Fehler. Die Musik war zwar schön, aber in brütender Hitze kam bei den ab und zu melancholischen Songs keine wirkliche Stimmung auf. Schade. Um 1740 stand dann der nächste große Höhepunkt des Festivals an: Turbonegro. Den ganzen Tag lang hatte ich schon Mitglieder des sagenumwobenen Turbonegro-Fanclubs Turbojugend (zu erkennen u.a. an den Jeansjacken) gesehen, die in Massen zum Southside geströmt waren, um ihre Helden zu sehen. Und sie sind nicht umsonst gekommen: Turbonegro haben eine Show vom Feinsten geboten. Einen Kracher nach dem Anderen. Dazwischen immer lustige Ansagen vom Sänger. Alle, die Turbonegro noch nicht live gesehen haben, sollten das nachholen. So schnell wie möglich. Nach Turbonegro ging es für ganz andere Musik zurück zur Zeltbühne. Goldfrapp standen auf dem Programm. Und auch das hat sich gelohnt. Wenn auch aus ganz anderen Gründen. Sängerin Alison Goldfrapp hat sich mit ihrem Verhalten zur Top-Favoritin für den Titel Oberzicke des Festivals qualifiziert. Anscheinend gab es am Anfang des Konzertes Probleme mit den Monitor-Lautsprechern auf der Bühne. Frau Goldfrapp hat das dazu bewogen, auszuflippen und das Konzert erstmal abzubrechen. Nach einer Pause ging es dann weiter. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich mag die Musik von Goldfrapp wirklich sehr, aber diese Zicke auf der Bühne konnte ich absolut nicht ertragen, sodass ich mich dann irgendwann an die Seite gesetzt habe, um sie nicht sehen zu müssen. Danach ging es weiter mit Console. Die hab ich vor einiger Zeit ja schon in Heidelberg live gesehen und war damals komplett begeistert über die riesigen Unterschiede zwischen Album und Liveshow. In den 60 Minuten Southside-Gig gab es davon auch einen großartigen Aussschnitt zu hören. 60 Minuten Elektro-Heavy-Metal vom Feinsten ;-) Und außerdem gewinnen Console immer und überall den Preis für die hübscheste Sängerin. Noch mehr Elektro gab es um 2130 von Röyksopp. Und auch die beiden Jungs rocken live so dermaßen los, dass man denkt, man sei im falschen Film. Leider haben Röyksopp zu viel unbekanntes Material gespielt, das womöglich auf dem lang erwarteten nächsten Album erscheinen wird, leider aber viel zu flächig und melodien-arm war. Zum Headliner des Tages ging es danach wieder zurück zur Hauptbühne. Coldplay. Kleine Anmerkung vorher: ich habe bewusst darauf verzichtet, auch nur eine Sekunde Guano Apes zu sehen. Ich hasse die Guano Apes. Aber das nur nebenbei. Zurück zu Coldplay: Superschönes Konzert voller toller Melodien. Und sehr passend zu der späten Uhrzeit. Coldplay bei Dunkelheit gehört wirklich zum Schönsten, was man erleben kann. Mein persönliches Highlight natürlich “Clocks” vom letzten Album. Leider war ich nach Coldplay zu müde, so dass ich auf Sigur Ros im Zelt verzichtet habe. Leider. War bestimmt brilliant. Aber Sigur Ros werde ich mir dann mal in voller Konzertlänge ansehen.

0

Sonntag. Der größte Skandal des Festivals erwartete mich dann am Sonntag. Warum zur Hölle spielt eine Band wie Blackmail um 12 Uhr mittags??? Und so ein Müll wie Apocalyptica viel später? Selbst die blöden Good Charlotte durften nach Blackmail ran. Unfassbar. Zumindest war für die frühe Uhrzeit sehr viel los vor der Hauptbühne und Blackmail haben ihr Bestes getan. Aber wenn man die Herren mal in einem kleinen Club gesehen hat, weiß man, welches Potenzial sie haben und wie wenig davon um 12 Uhr mittags ausgeschöpft werden kann. Schade. Sehr schade. Positiv überrascht war ich von MTV-Moderator Markus Schultze und seiner Band Underwater Circus. Ich kannte bis dahin nur die Single “Not you“. Aber auch der gesamte Rest war richtig gut. Muss mir wohl mal das Album “Grace under Pressure” besorgen. Und Underwater Circus sind eine weitere Band auf der langen Liste der Bands mit gut aussehenden Bassistinnen. Der Nachmittag war für mich dann eher musikfrei. Kurz in Skin reingesehen und bemerkt, dass die Frau auf der Bühne auch ohne Skunk Anansie abgeht, dass es eine Freude ist, und danach ausgeruht. Pünktlich zu Seeed war ich dann wieder dabei. Ein weitere Höhepunkt des Festivals. Zwar keine Musik, die ich jeden Tag hören muss, aber live eine absolute Party. Und eine perfekte Band für ein Sommer-Festival. Der Abschluss von Southside 2003 war dann eine ziemliche Enttäuschung. Massive Attack fand ich von Anfang bis Ende, um es mal etwas heftiger auszudrücken: scheiße! Kaum Melodien, Flächen ohne Ende, Sänger, die zwar ganz gut waren, aber die Original-Sänger von den CDs nicht ersetzen konnten. Glücklicherweise hatten Massive Attack eine großartige LED-Leinwand dabei. Und das, was da abging war überaus sehenswert. Sehr schöne Effekte, dazwischen immer wieder nette Informationen (z.B. die Rüstungs-Etats aller relevanten Staaten). So war das Konzert dann trotz der schlechten Musik doch kurzweilig ;-) Was soll ich zum Schluss anderes sagen als: Southside 2003 hat sich gelohnt und ich freue mich schon auf’s nächste Jahr.

Und ganz zum Schluss noch ein paar Links zu Websites mit Southside-Foto-Galerien:
http://www.dasding.de/community/events/archiv/ssflive/content/galerie/index.html
http://www.netradioactive.de/partypic-archiv/categories.php?cat_id=86
http://www.southside.de

0

Southside 2003, erstes (kurzes) Fazit. Es war sehr sehr gut. Ich habe viele tolle Konzerte gesehen. Ein paar Bands, die man unbedingt mal live sehen sollte, bevor man stirbt (Radiohead, Coldplay, Turbonegro, etc.). Die Kälte während des Radiohead-Konzerts am Freitagabend und in der Nacht danach haben mir zwar eine Erkältung beschert, die mich zwei Tage daran gehindert hat, zu arbeiten und mir die Kraft entzogen hat, irgendwas vernünftiges zu machen (incl. einem popkulturjunkie.de-Update), aber Radiohead war es Wert. Komplett. Bevor ich also wieder fit genug bin um die Seite zu aktualisieren hier mein persönlicher Höhepunkt des Festivals:

Karma police, arrest this man
He talks in maths
He buzzes like a fridge
He’s like a detuned radio

Karma police, arrest this girl
Her Hitler hairdo is
Making me feel ill
And we have crashed her party

This is what you get
This is what you get
This is what you get when you mess with us

Karma Police
I’ve given all I can
It’s not enough
I’ve given all I can
But we’re still on the payroll

This is what you get
This is what you get
This is what you get when you mess with us

And for a minute there, I lost myself, I lost myself
And for a minute there, I lost myself, I lost myself

For for a minute there, I lost myself, I lost myself
For for a minute there, I lost myself, I lost myself
Phew, for a minute there, I lost myself, I lost myself

(Radiohead – Karma Police)

0

popkulturjunkie gibt bekannt: Ich hab ein Auto! Ein Auto! Nach drei Jahren Abstinenz bin ich rückfällig geworden und nenne endlich wieder ein Kraftfahrzeug mein Eigen. Morgen geht’s dann mit ein paar Freunden zum sicher grandiosen Southside-Festival. Und hinterher gibt’s hier die große Southside-Nachberichterstattung. Schönes Wochenende allen popkulturjunkie-Lesern. Ich werd es haben :-)

0

Warum gibt es hier in letzter Zeit fast nur noch melancholische Songtext-Zitate und kaum noch Popkultur-Neuigkeiten? Zwei Gründe gibt’s dafür. Der eine ist zu privat, der andere hat mit meinem Job zu tun. Zwar möchte ich mein popkulturjunkie-Dasein und meinen Beruf eigentlich trennen. Aber ich zitiere mal die “Frankfurter Rundschau” von morgen, vielleicht versteht Ihr dann etwas besser, wie es mir geht:

“In schwerer See
Auch der renommierte Branchendienst “Kress-Report” muss sich in der Medienkrise neu erfinden
Von Rolf Karepin

Die Exklusivmeldung hält 45 Minuten – genauso lang wie eine Halbzeit im Fußball. Redakteur Jens Schröder, bekennender Bayern-Fan und Fernseh-Experte beim Heidelberger Kress-Report, hat die heiße News am vergangenen Mittwoch Mittag als erster: Die Pro Sieben Sat1 Media AG kauft die TV-Rechte an der Champions League.

Die Blitzmeldung geht sofort raus über SMS und E-Mail-Verteiler. Prompt hallt das Medien-Echo durch den Blätterwald: Der dpa-Ticker nennt Kress als Quelle. Die offizielle Bestätigung von Senderseite kommt eine dreiviertel Stunde später. Und tags drauf findet sich der Name des kleinen Insider-Fachblatts für Medienthemen mal wieder in diversen Zeitungen zitiert. 1 : 0 für Kress, die Medien-Mannschaft im gelbschwarzen Trikot.

So läuft das. Wenn’s läuft. Mit seinen rund 2300 Heft-Abonnenten – fast allesamt Entscheider in der Verlags-, Sender- und Werbeszene – und sechsstelligen monatlichen Besucherzahlen auf der Website kann der kleine konzernunabhängige Fachdienst immer wieder eine beachtliche Welle machen. Man erreicht ja Multiplikatoren, Leitwölfe im Revier der Aufmerksamkeits-Ökonomie. Selbst Harald Schmidt hat in seiner Show mal ein paar launige Zeilen aus dem Kress verlesen.

Doch neuerdings machen die Heidelberger Medienberichterstatter eher anderweitig von sich reden: Die branchenweite Krise, die in allen Facetten zentraler Berichtsgegenstand des Blattes ist, trifft auch den Kress Report. Von dramatischem Anzeigenschwund ist die Rede, Kurzarbeit und Entlassungen, gar von mittelfristig drohender Zahlungsunfähigkeit. Ende Mai musste Thomas Wengenroth, Geschäftsführender Alleingesellschafter und Chefredakteur, seiner ohnehin leidgeprüften Truppe bittere Exklusiv-Infos verkünden: Die Anzeigenerlöse im Frühjahr sind eingebrochen. Sieben Mitarbeiter, darunter drei Redakteure, müssen daher gehen. Nur noch zehn Leute bleiben an Bord.

Eine akute Bedrohung für den Kress Report will Inhaber Thomas Wengenroth nicht bestätigen. Aber so viel immerhin: “Wir segeln in schwerer See.” Dank verschärfter Kostendisziplin habe der Verlag 2002 noch Gewinne erwirtschaftet, sagt Wengenroth. “Aber der erneute Einbruch in diesem Frühjahr hat uns kalt erwischt: 35 Prozent Minus beim Anzeigenumsatz gegenüber Vorjahr, das ist ein brutaler Aderlass.” Im Übrigen liege Kress damit allerdings genau im Markttrend der Kommunikationsfachtitel.

Um sein Unternehmen von den Launen der Werbekonjunktur unabhängiger zu machen, will Wengenroth das Online-Angebot im Abo-Verbund mit Print kostenpflichtig machen. Im August wird das Gesamtpaket neu geschnürt: Das gedruckte Heft kommt dann nur noch zweiwöchentlich mit mehr Hintergrund. Und die Redaktion kann dank reduzierter Printproduktionslast mehr heiße News auf die kostenpflichtige Website schaufeln. Diese strategischen Überlegungen seien “nicht aus der aktuellen Not geboren”, betont der Verleger, “daran haben wir schon eine ganze Weile getüftelt.”
Klar ist auch: Die Umstellung der Produktionsabläufe und ein neues Redaktionssystem kosten Geld. Und das ist knapp. Somit stellt sich die Frage: Wäre der Kress Report mit seinen etwas mehr als zwei Millionen Euro Jahresumsatz in einem größeren Konzernverbund nicht krisensicherer verankert ?

Übernahmeangebote und Verkaufsgespräche hat es gegeben, bestätigt Wengenroth. Namen zu nennen oder zu kommentieren, verbietet ihm freilich die branchenübliche Diskretion. Ebenso branchenübliche Indiskretionen aus anderen Quellen rücken unter anderem Adressen wie den Deutschen Fachverlag (Frankfurt) oder die Ebner-Fachverlage (Ulm) in den Kreis der potenziellen Käufer. Aber egal, denn bisher trennten sich die Verhandlungsparteien stets ohne Tinte auf Verträgen. “Warum man nicht zusammenkam, schwer zu sagen, das kriege ich auch nicht detailliert erzählt”, so lauten Wengenroths eigene Angaben. Man darf aber vermuten, dass Kaufpreis und Konditionen nicht gestimmt haben.

Als im zweiten Quartal weder ein Werbeaufschwung noch ein Großinvestor in Sicht kommt, wird die Luft dünn im fünften Stock des sechseckigen Bürotrakts in Heidelberg-Rohrbach Süd. Extrem dünn. Das unschöne Wort “Mietrückstand” macht die Runde auf den teakholzgetäfelten Verlagsfluren, die bange Frage nach drohender Insolvenz drängt sich auf. Und die Mitarbeiter üben sich in Galgenhumor: “Man freut sich ja schon, wenn man auf den Lichtschalter drückt, dass tatsächlich noch Licht angeht”, sagt ein Ressortleiter, “aber solange Rechner und Telefon noch funktionieren, bleiben wir am Ball.”
Dann präsentiert Wengenroth zeitgleich mit der jüngsten Hiobsbotschaft über Personalabbau eine Lösung für das unmittelbare Liquiditätsproblem: Einige Investoren – Privatleute aus dem Rhein-Neckar-Raum – würden Kapital in sechsstelliger Höhe zuschießen. Über die Namen bewahrt er eisernes Stillschweigen.

Nicht einmal der Blattgründer und Herausgeber Günther Kress kennt die Personalien. Er weiß nur, dass der Mannheimer Steuerberater Ansgar Brendel mit von der Partie ist. Der half bereits 1996, die Finanzierung für die Übernahme des Kress Reports durch Wengenroth und seinen früheren Kompagnon Peter Turi einzutüten. Den Ausstieg von Turi im Jahr 2000 hat er auch vertragstechnisch gemanagt. Somit keine Überraschung, dass er bei den nun anstehenden Transaktionen involviert ist. Mit Treuhänderkonstruktionen und atypisch stillen Beteiligungen lässt sich manches drehen, was nicht im Bundesanzeiger und Handelsregister auftauchen muss. Aber spätestens, wenn GmbH-Anteile den Besitzer wechseln, muss Wengenroth seinen Mitarbeitern erklären, wem der Laden künftig gehört. Denn auf der Firmenhomepage hat er angekündigt, dass er bis zu 60 Prozent der Verlagsanteile abtreten wolle.

Sollte der diskrete Deal nicht zustande kommen, hängt alles weitere von den Hausbanken ab. Eventuell bewegt ein neuer Businessplan mit Online-Abo und verschlankten Unternehmensstrukturen die beiden Institute, den Kredithahn doch nochmal aufzudrehen. So dass das Überleben bis Februar gesichert wäre, wenn das Geld für die Jahresabos in der Schatulle ist. Aber die Saison 2004 ist noch weit. Die dezimierte Kress-Mannschaft jedenfalls kickt nach wie vor mit Herzblut. Denn das nächste Spiel ist immer das schwerste.”

Anmerkung vom popkulturjunkie: Drei meiner vier besten Freunde bei kress müssen gehen. Vielleicht erklärt das meine ab und zu etwas melancholische Stimmung. popkulturjunkie.de wird jedoch wieder richtig leben. Versprochen!

0

Selbstbildnis vom popkulturjunkie mit Hilfe des lustigen South Park Character Generators ;-)

Next Page »