Warum gibt es hier in letzter Zeit fast nur noch melancholische Songtext-Zitate und kaum noch Popkultur-Neuigkeiten? Zwei Gründe gibt’s dafür. Der eine ist zu privat, der andere hat mit meinem Job zu tun. Zwar möchte ich mein popkulturjunkie-Dasein und meinen Beruf eigentlich trennen. Aber ich zitiere mal die “Frankfurter Rundschau” von morgen, vielleicht versteht Ihr dann etwas besser, wie es mir geht:

“In schwerer See
Auch der renommierte Branchendienst “Kress-Report” muss sich in der Medienkrise neu erfinden
Von Rolf Karepin

Die Exklusivmeldung hält 45 Minuten – genauso lang wie eine Halbzeit im Fußball. Redakteur Jens Schröder, bekennender Bayern-Fan und Fernseh-Experte beim Heidelberger Kress-Report, hat die heiße News am vergangenen Mittwoch Mittag als erster: Die Pro Sieben Sat1 Media AG kauft die TV-Rechte an der Champions League.

Die Blitzmeldung geht sofort raus über SMS und E-Mail-Verteiler. Prompt hallt das Medien-Echo durch den Blätterwald: Der dpa-Ticker nennt Kress als Quelle. Die offizielle Bestätigung von Senderseite kommt eine dreiviertel Stunde später. Und tags drauf findet sich der Name des kleinen Insider-Fachblatts für Medienthemen mal wieder in diversen Zeitungen zitiert. 1 : 0 für Kress, die Medien-Mannschaft im gelbschwarzen Trikot.

So läuft das. Wenn’s läuft. Mit seinen rund 2300 Heft-Abonnenten – fast allesamt Entscheider in der Verlags-, Sender- und Werbeszene – und sechsstelligen monatlichen Besucherzahlen auf der Website kann der kleine konzernunabhängige Fachdienst immer wieder eine beachtliche Welle machen. Man erreicht ja Multiplikatoren, Leitwölfe im Revier der Aufmerksamkeits-Ökonomie. Selbst Harald Schmidt hat in seiner Show mal ein paar launige Zeilen aus dem Kress verlesen.

Doch neuerdings machen die Heidelberger Medienberichterstatter eher anderweitig von sich reden: Die branchenweite Krise, die in allen Facetten zentraler Berichtsgegenstand des Blattes ist, trifft auch den Kress Report. Von dramatischem Anzeigenschwund ist die Rede, Kurzarbeit und Entlassungen, gar von mittelfristig drohender Zahlungsunfähigkeit. Ende Mai musste Thomas Wengenroth, Geschäftsführender Alleingesellschafter und Chefredakteur, seiner ohnehin leidgeprüften Truppe bittere Exklusiv-Infos verkünden: Die Anzeigenerlöse im Frühjahr sind eingebrochen. Sieben Mitarbeiter, darunter drei Redakteure, müssen daher gehen. Nur noch zehn Leute bleiben an Bord.

Eine akute Bedrohung für den Kress Report will Inhaber Thomas Wengenroth nicht bestätigen. Aber so viel immerhin: “Wir segeln in schwerer See.” Dank verschärfter Kostendisziplin habe der Verlag 2002 noch Gewinne erwirtschaftet, sagt Wengenroth. “Aber der erneute Einbruch in diesem Frühjahr hat uns kalt erwischt: 35 Prozent Minus beim Anzeigenumsatz gegenüber Vorjahr, das ist ein brutaler Aderlass.” Im Übrigen liege Kress damit allerdings genau im Markttrend der Kommunikationsfachtitel.

Um sein Unternehmen von den Launen der Werbekonjunktur unabhängiger zu machen, will Wengenroth das Online-Angebot im Abo-Verbund mit Print kostenpflichtig machen. Im August wird das Gesamtpaket neu geschnürt: Das gedruckte Heft kommt dann nur noch zweiwöchentlich mit mehr Hintergrund. Und die Redaktion kann dank reduzierter Printproduktionslast mehr heiße News auf die kostenpflichtige Website schaufeln. Diese strategischen Überlegungen seien “nicht aus der aktuellen Not geboren”, betont der Verleger, “daran haben wir schon eine ganze Weile getüftelt.”
Klar ist auch: Die Umstellung der Produktionsabläufe und ein neues Redaktionssystem kosten Geld. Und das ist knapp. Somit stellt sich die Frage: Wäre der Kress Report mit seinen etwas mehr als zwei Millionen Euro Jahresumsatz in einem größeren Konzernverbund nicht krisensicherer verankert ?

Übernahmeangebote und Verkaufsgespräche hat es gegeben, bestätigt Wengenroth. Namen zu nennen oder zu kommentieren, verbietet ihm freilich die branchenübliche Diskretion. Ebenso branchenübliche Indiskretionen aus anderen Quellen rücken unter anderem Adressen wie den Deutschen Fachverlag (Frankfurt) oder die Ebner-Fachverlage (Ulm) in den Kreis der potenziellen Käufer. Aber egal, denn bisher trennten sich die Verhandlungsparteien stets ohne Tinte auf Verträgen. “Warum man nicht zusammenkam, schwer zu sagen, das kriege ich auch nicht detailliert erzählt”, so lauten Wengenroths eigene Angaben. Man darf aber vermuten, dass Kaufpreis und Konditionen nicht gestimmt haben.

Als im zweiten Quartal weder ein Werbeaufschwung noch ein Großinvestor in Sicht kommt, wird die Luft dünn im fünften Stock des sechseckigen Bürotrakts in Heidelberg-Rohrbach Süd. Extrem dünn. Das unschöne Wort “Mietrückstand” macht die Runde auf den teakholzgetäfelten Verlagsfluren, die bange Frage nach drohender Insolvenz drängt sich auf. Und die Mitarbeiter üben sich in Galgenhumor: “Man freut sich ja schon, wenn man auf den Lichtschalter drückt, dass tatsächlich noch Licht angeht”, sagt ein Ressortleiter, “aber solange Rechner und Telefon noch funktionieren, bleiben wir am Ball.”
Dann präsentiert Wengenroth zeitgleich mit der jüngsten Hiobsbotschaft über Personalabbau eine Lösung für das unmittelbare Liquiditätsproblem: Einige Investoren – Privatleute aus dem Rhein-Neckar-Raum – würden Kapital in sechsstelliger Höhe zuschießen. Über die Namen bewahrt er eisernes Stillschweigen.

Nicht einmal der Blattgründer und Herausgeber Günther Kress kennt die Personalien. Er weiß nur, dass der Mannheimer Steuerberater Ansgar Brendel mit von der Partie ist. Der half bereits 1996, die Finanzierung für die Übernahme des Kress Reports durch Wengenroth und seinen früheren Kompagnon Peter Turi einzutüten. Den Ausstieg von Turi im Jahr 2000 hat er auch vertragstechnisch gemanagt. Somit keine Überraschung, dass er bei den nun anstehenden Transaktionen involviert ist. Mit Treuhänderkonstruktionen und atypisch stillen Beteiligungen lässt sich manches drehen, was nicht im Bundesanzeiger und Handelsregister auftauchen muss. Aber spätestens, wenn GmbH-Anteile den Besitzer wechseln, muss Wengenroth seinen Mitarbeitern erklären, wem der Laden künftig gehört. Denn auf der Firmenhomepage hat er angekündigt, dass er bis zu 60 Prozent der Verlagsanteile abtreten wolle.

Sollte der diskrete Deal nicht zustande kommen, hängt alles weitere von den Hausbanken ab. Eventuell bewegt ein neuer Businessplan mit Online-Abo und verschlankten Unternehmensstrukturen die beiden Institute, den Kredithahn doch nochmal aufzudrehen. So dass das Überleben bis Februar gesichert wäre, wenn das Geld für die Jahresabos in der Schatulle ist. Aber die Saison 2004 ist noch weit. Die dezimierte Kress-Mannschaft jedenfalls kickt nach wie vor mit Herzblut. Denn das nächste Spiel ist immer das schwerste.”

Anmerkung vom popkulturjunkie: Drei meiner vier besten Freunde bei kress müssen gehen. Vielleicht erklärt das meine ab und zu etwas melancholische Stimmung. popkulturjunkie.de wird jedoch wieder richtig leben. Versprochen!

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