So. Mit ein paar Bier im Kopf schaut sich so ein “Bundesvision Song Contest” doch auch gleich viel besser. Ich wurde von gut informierten Kreisen im Nebenzimmer darüber informiert, dass die Show nun zu Ende ist, ich meine Aufnahme also stoppen und so tun kann, als sei es jetzt um 0.25 Uhr erst 20.15 Uhr. Ein kleiner Hinweis: Während ich hier “live on Tape” blogge, werde ich die Kommentare nicht lesen. Ihr könnt mir also tausendmal mitteilen, wer gewonnen hat, ich werde es nicht lesen. Die Favoriten für den Sieg waren für mich ohnehin schon nach Lesen der Teilnehmerliste klar: Mia., Oomph und Jan Delay. Jemand anderes wird nicht gewinnen können. Welcher der Songs mir persönlich am besten gefällt, werden Ihr im Laufe der Nacht lesen können. Also beginnen wir mit der neuesten popkulturjunkie.de-Innovation: dem “Bundesvision Song Contest”-“Live on Tape”-Blog:
01 – Mia. mit “zirkus” für Berlin:
Wer Mieze schon immer unter den Rock kucken wollte, hier war die Gelegenheit. Musikalisch eher mitelmäßig, ich habe schon Besseres von Mia. gehört, ein bisschen viel daaaadadadaaaadadaaaada und dadurch latent nervend. Wegen dem Bekanntheitsgrad der Band zwar ein Siegeskandidat, vom Song her aber klarer Außenseiter. Von mir gibt’s 5 von 10 Punkten.
02 – D-Flame mit “mom song” für Hessen:
Ich hab ja Vorurteile, wenn es um Rapper aus Hessen geht. Ich kenne da keinen guten. Hier handelt es sich anscheinend um den Barry White des deutschen Hip Hops. Mein Gott, hat der eine tiefe Stimme, was raucht der, um eine solche Stimme zu bekommen? Der Song plätschert eher so dahin, regt nicht auf, nervt nicht, erfreut aber auch nicht sonderlich. Keinerlei Siegchancen und von mir 3 von 10 Punkten.
03 – Melotron mit “das herz” für Mecklenburg-Vorpommern:
So stellt man sich das Klischee von Musik aus dem Osten vor: leicht-düsterer Elektropop, der aus den “Grenzwellen” stammen könnte, ein bisschen zwischen Wolfsheim und Deine Lakaien. Funktioniert live nicht wirklich, eine Killermelodie fehlt auch. Insgesamt okay. Wahrscheinlich werden Melotorn auf einem hinteren Rang landen, von mir gibt’s 4 von 10 Punkten.
04 – Manja mit “es ist die liebe” für Sachsen:
Puh, das ist aber langweilig. Da helfen auch die nach einer Minute einsetzenden Reggaebeats nicht. Ein absolut dröger kleiner Reggae-Schlager. Das Mädel ist ein klarer Anwärter auf den letzten Platz, von mir gibt’s 2 von 10 Punkten.
Puh. Gut, dass ich den 10-Minuten-Werbebreak einfach so wegspulen kann.
05 – Jenna + Ron mit “jung und willig” für Sachsen-Anhalt:
Jenna und Ron? Klingt wie Hanni und Nanni. Der Song klingt irgendwie seltsam. Ein bisschen nach 80er zum Mitklatschen, dazu ständig dieses dämliche Gepfeife. Ich mag das nicht, der Text nervt auch mit Plattitüden. 3 von 10 Punkten.
06 – B-Stinged Butterfly mit “liebe” für das Saarland:
B-Stinged Butterfly klingt ja sehr nach Rock-Klischee pur. Kommen Oomph nicht später? Die klingen doch genau so. Diese Art von Musik ist völlig altmodisch, null innovativ und nach wenigen Sekunden komplett nervend. Keine einzige gute Idee in 3 Minuten. Schwach, ganz schwach. 2 von 10 Minuten.
07 – Beatplanet mit “dreh dich um und geh” für Brandenburg:
Der Name Beatplanet klingt auch nicht wirklich nach guten Ideen. Acht Leute die aussehen wie aus einer vegangenen Zeit. Und genau solche Musik machen sie auch: 50er? Frühe 60er? Was ist das? Zumindest nichts Gutes. Die können vielleicht beim Schützenfest auftreten oder bei Dorf-Hochzeiten, in anderen Ohren erzeugen sie eher Ohrenkrebs. 1 von 10 Punkten.
Gleich ist Halbzeit. Wo bleiben denn die guten Songs? Oder gibt’s diesmal keine?
08 – Pohlmann mit “mädchen und rabauken” für Nordrhein-Westfalen:
Der deutsche Jack Johnson? Aber mir geht der amerikanische Jack Johnson doch schon auf die Eier. Sympathisch scheint der Typ zu sein, der Song ist ganz in Ordnung, mir allerdings etwas zu sommerlich-lockig-flockig. Im bisherigen Feld allerdings schon einer der besseren Vertreter. 5 von 10 Punkten.
09 – Kalle feat. M.A.R.S. Allstars mit “aber Nice” für Rheinland-Pfalz:
Kalle? So kann man sich doch nicht ernsthaft nennen, wenn man was reißen will als Musiker. Es sei denn, man will auf Mallorca enden. Auch die Promis in der Band (Thomas D. / Momo aus der “Lindenstraße”) helfen da nicht, dieser Pseudo-Reggae-Proll-Mist nervt. Singen (bzw. Sprechen) kann er auch nicht, der Kalle. Das kann nicht ernst gemeint sein, das muss ein Scherz von einer Plattenfirma sein. Wegen dem skurrilen Promifaktor noch 1 von 10 Punkten.
10 – Anajo mit “wenn du nur wüßtest” für Bayern:
Meine Liebste würde jetzt sicher lieber weiterspulen, schließlich singt “Deine Suzie” da mit. Anajo und Suzie Kerstgens von Klee. Anajo find ich ganz okay, “ich hol dich hier raus” fand ich damals sogar ziemlich großartig. Der neue Song ist leider nicht der Bringer, gerade in einem Duett mit Frau Kerstgens wäre wesentlich mehr drin gewesen. Natürlich der bisher beste Song des Abends, aber mit viel Platz nach oben. 6 von 10 Punkten.
11 – Oomph! feat. Marta Jandová mit “träumst du” für Niedersachsen:
Frau Jandová hat mir ja vor einigen Jahren den größten Traffic meines Lebens verschafft. Als Tausende Leute meinten, sie müssten ein von mir geschossenes, zugegebenermaßen sehr aufregendes Foto von einem Die-Happy-Auftritt beim Southside-Festival, anschauen. Beinahe wäre mir mein Account gesperrt worden, so viel Traffic war das damals. Aber kommen wir zur Musik: Oomph kann mir ja eigentlich komplett gestohlen bleiben. Kennt man einen Song, kennt man alle. Durch Jandóva kommt aber ein Spritzer Esprit in den Song, der ihn vor der Komplettkatastrophe rettet. Dennoch fehlt mir einfach jegliche Kreativität an dieser Art von Musik. Wahrscheinlich werden Oomph aber trotzdem gewinnen. Wenn ich den Song mit dem von Mia. vergleiche, spricht dieser hier garantiert mehr Menschen an. Fehlt aus dem Favoriten-Trio also noch Jan Delay. Ach so: Für Oomph von mir 4 von 10 Punkten.
12 – Tele mit “mario” für Baden-Württemberg:
Vorhin noch “Super Mario World” gespielt, danach mit Mario getrunken, jetzt “mario” im Fernsehen. Scheiß-Kalauer, ich weiß. Ich bin mir bei Tele ja immer nicht so sicher. Finde ich die jetzt gut? “mario” zumindest irgendwie nicht so. Wie bei Pohlmann vorhin einfach zu locker-flockig. Hübsche Musik für den Sonntagmorgen, aber mehr nicht. 5 von 10 Punkten.
13 – Lea Finn mit “ich weiß und du weißt” für Bremen:
Was für eine unangenehme Frau. So hippelig und völlig pseudo-cool in dem Vorstellungstrailer. Ihr Gesang verursacht Kopfschmerzen bei mir. Und obwohl sie denkt, sie versprühe Sex pur, hat sie null Erotik. Was für ein langweiliges Nümmerchen. Der absolute Tiefpunkt des bisherigen Abends. 1 von 10 Punkten.
14 – Kim Frank mit “lara” für Schleswig-Holstein:
Ganz früher habe ich “Echt” gehasst wie heute allenfalls Tokio Hotel. Später dann, kurz bevor sie sich aufgelöst haben, fand ich sie gar nicht mehr so übel. Anschließend gab es gefühlte 20 Jahre lang Ankündigungen eines Kim-Frank.-Comebacks. Nun ist es da. Am Anfang denkt man, “oh ja, der hat lang nicht gesungen”. Er fängt sich dann aber relativ schnell und zeigt, dass er ein echt guter Songwriter ist. Natürlich etwas schlageresk, aber auch irgendwie schön und melancholisch. Und man sieht ihm eindeutig an: Er genießt es, wieder da zu sein. Ich bin gespannt auf das Album. 7 von 10 Punkten.
15 – Northern Lite feat. Chapeau Claque mit “enemy” für Thüringen:
Chapeau Claque? Mein Gott, da sind aber schnarchige Namen dabei, heute. Dabei klingt der Name Northern Lite eher nach Trancepop. “enemy” geht aber eher in Richtung Melotron, der Typ sieht etwas verwirrt und die Frau extrem aufgeregt aus. Gibt mir nichts, der Song. Nervt nicht sonderlich, hat aber absolut nichts Besonderes und klingt mit den beiden Gesangsstimmen zu sehr zusammengeklebt. 4 von 10 Punkten.
16 – Jan Delay mit “feuer” für Hamburg:
Jan Delay muss man ja gut finden heutzutage, sonst gehört man nicht dazu. Wozu auch immer. Den einen oder anderen Song von ihm fand ich auch gut, aber sein Gesamtwerk nicht unbedingt. Zumindest hat er einen absolut eigenen Stil und das ist verdammt viel wert. “feuer” sticht an so einem Abend natürlich auch heraus, hat musikalisch meilenweit mehr zu bieten als irgendwelche Kalles oder Lea Finns. Zudem ist die Show und die lustige Tanzeinlage der Band die beste des Abends. Dennoch: Mir fehlt der absolute Kick in dem Song. 6 von 10 Punkten.
Und wer gewinnt nun? Vom Applaus und Jubel her würde ich jetzt sagen: Jan Delay gewinnt. Zumindest wird Mia. sicher nur auf Rang 3 landen, zwischen Oomph und Jan Delay wird es eng, wenn ihr mich fragt. Aber ihr fragt mich ja nicht, weil ihr die Show ja schon gesehen habt und daher natürlich längst wisst, wer gewonnen hat. Ein Geheimtipp dürfte Kim Frank sein, der mir (und dafür werde ich Hass und Häme ernten) musikalisch am besten gefallen hat.
Gut, dass ich mir den Punktevergabevorgang im Schnelldurchlauf anschauen kann, denn der war ja im vergangenen Jahr mit all diesen zu Mensch gewordenen Argumenten, warum man kein Radio hören sollte, eine Vollkatastrophe.
Und hier nun das Ergebnis:
01 Oomph / Niedersachsen (147)
02 Jan Dealy / Hamburg (138)
03 Kim Frank / Schleswig-Holstein (101)
04 Mia. / Berlin (96)
05 Pohlmann / Nordrhein-Westfalen (95)
06 Northern Lite / Thüringen (88)
07 D-Flame / Hessen (67)
08 Jenna + Ron / Sachsen-Anhalt (56)
09 Anajo / Bayern (33)
10 Tele / Baden-Württemberg (23)
11 Lea Finn / Bremen (20)
12 B-Stinged Butterfly / Saarland (17)
13 Melotron / Mecklenburg-Vorpommern (13)
13 Manja / Sachsen (13)
15 Beatplanet / Brandenburg (11)
16 Kalle / Rheinland-Pfalz (10)
Nunja, was soll man sagen. Es zeigt sich von Jahr zu Jahr, welche Schwächen der “Bundesvision Song Contest” hat. Die bekannten Acts sind an der Spitze, alle anderen haben keine Chance. So auch diesmal. Künstler und Bands, die seit Jahren dabei sind, haben nunmal schon treue Fans und einen gewissen Bekanntheitsgrad. Ich weiß allerdings auch nicht, wie man diese Misere lösen kann. Nur noch bekannte Leute teilnehmen lassen? Oder nur noch den Nachwuchs? Fänd ich beides auch nicht gut. Ãœber eins sollte Stefan Raab aber ernsthaft nachdenken: Diese Scheiß-Kooperationen mit den Privatradiosendern kann doch niemand ertragen. Diese vollidiotischen Morgenshowmoderatoren mit den schlechtesten Witzen der 80er, 90er und von heute, einer bescheuerter als der andere. Das geht so nicht. Wirklich.