charts (2006-06-02).

Nach langer Pause geht’s jetzt endlich wieder weiter mit den Kurzkritiken der New Entries aus den deutschen Singlecharts. Da unten seht ihr derzeit eine Reihe von leeren Einträgen. Die werden nach und nach mit den dazugehörenden Kritiken gefüllt. Sobald das geschicht wird jeweils in einem aktuellen Eintrag darauf hingewiesen. So eine Art Panini-Album also, ein Blog mit Lücken, auf die nach und nach etwas draufgeklebt wird. Hier erstmal die New Entries vom 2. Juni 2006:

100: Dirrrty Franz & Die B-Side Boyz – “weltmeister” / Video bei YouTube

Kaum jemand kann all die WM-Trittbrettfahrer-Songs noch zählen, die momentan aus allen Ecken gekrochen kommen. Selbst Frank Zander hat einen Song aufgenommen. Das musikalische Verbrechen, das auf Platz 100 eingestiegen ist, soll hingegen auch die Hip-Hop-Gemeinde an die Fußball-WM heranführen. Ich tippe aber mal, dass sich diese Gemeinde eher totlacht über die untalentierten Garagenrapper in diesem Song. “weltmeister, wir werden weltmeister” rappen sie. Und wie immer die WM auch ausgeht: Ihr beide werdet auf keinen Fall Weltmeister. 0 von 10 Punkten.

90: Michael Jackson – “heal the world” / Video bei YouTube

Die Wiederveröffentlichung eines Oldies. “heal the world” ist neu in der Michael-Jackson-Reihe “the video singles” erschienen. Er hat den Song um ein paar Minuten gekürzt, etwas aufgeschleimt und ein weinerliches Video zusammenschneiden lassen, in dem alle wichtigen Kriege und Katastrophen der vergangenen Jahrzehnte zu sehen sind. Insofern passt Jacksons Musik ja ganz gut. 3 von 10 Punkten.

88: Editors – “all sparks” / Video bei Yahoo

Die schlachten ihr Album auch bis zum letzten aus. Gut ein Jahr nachdem es erschienen ist, kommt mit “all sparks” eine weitere Single auf den Markt. Zwar sind Stücke wie “munich”, “blood”, “camera” oder “bullets” noch besser, aber “all sparks” veredelt eine solche Top 100 mit seinem gelungen Düster-Melancholie-Indie-Poprock so dermaßen, dass sich die anderen 99 Tracks eigentlich schämen müssten. 8 von 10 Punkten

87: Niemann – “nie wieder” / Video auf der Künstlerhomepage

Der Typ ist damals irgendwie völlig an mir vorbeigegangen. Er hatte nämlich 2001 wohl schonmal größeren Erfolg mit einer Platte, die “im osten” hieß und sich wohl sehr gut verkaufte. Nun kommt er mit Rammstein-eskem Sound zurück und singt von einer gescheiterten Beziehung. Seine Stimme kann dem harten Sound allerdings nicht immer das Wasser reichen. Keine Katastrophe, aber auch kein Song, der in Erinnerung bleibt. 3 von 10 Punkten.

86: And One – “military fashion show” / kein Video verfügbar

Wieder mal eine Band, die mich an alte “Grenzwellen”-Zeiten erinnert. Die radio-ffn-Sendung mit Ecki Steig für alle, die schwarze Musik mochten – von Wolfsheim bis Eternal Afflict. And One waren auch ab und zu dabei. Ãœber 15 Jahre gibt’s die Band nun schon – und leider wirkt auch ihre Musik mittlerweile etwas altbacken. Synthi-Geklimper mit leicht pseudo-düsterer Stimme. Das reißt kaum noch jemanden vom Hocker. 4 von 10 Punkten.

85: The Feeling – “sewn” / Video auf der Künstlerhomepage

Wenn eine Band sich “The Feeling” nennt, erschreckt man schon etwas. Und der Bandname ist hier Programm. Harmloser Mainstream-England-Pop zwischen Coldplay und James Blunt. “sewn” ist sehr einprägsam, ohrwurmig, gefällig. Gäbe es nicht derzeit zu viel solcher Musik, würde ich mich sogar hinreißen lassen, es richtig gut zu finden. Aber so ist es einfach zu sehr Me-too. 6 von 10 Punkten.

74: Apocalyptica – “repressed” / Video bei YouTube

Vor 2-3 Monaten lief im ZDF ein Fernsehfilm, in dem fast ausschließlich Musik von Apocalyptica eingesetzt wurde. In diesen 90 Minuten habe ich mich dabei ertappt, die Cello-Finnen zum ersten Mal richtig gut zu finden. Vorbei. Mit ihrer neuen Single nerven sie mich wieder weitgehend. Gemeinsam mit Ex-Sepultura-jetzt-Soulfly-Brachialvokalist Max Cavalera legen sie ein Stück vor, das hart, schnell, laut, agressiv ist. Richtiger Heavy Metal eben. Das Video ist übrigens auch nichts für Zart Besaitete. Für “repressed”: 4 von 10 Punkten.

47: Santana/Sean Paul & Tai Jason – “cry baby cry” / Video bei YouTube
Nächstes Jahr wird er 60 (Ich hätte ihn noch viel älter getippt) und vor einigen Jahren gelang ihm mit der Single “maria, maria” und dem Album “supernatural” ein spektakuläres Comeback. Seitdem dümpelt sein Werdegang aber wieder etwas dahin, er versucht mit weiteren Stargästen oben zu bleiben. Bei “cry baby cry” ist es Sean Paul. Leider funktioniert das aber nicht. Santanas Musik klingt so wie immer, ziemlich langweilig und Sean Pauls Rap-Gesang passt nicht wirklich dazu. Nur nach einem Joint geeignet. 3 von 10 Punkten.

46: Hermes House Band – “football megamix xxl” / Video nicht verfügbar

Die Nerv-Niederländer durfen natürlich auch nicht fehlen, wenn eine WM vor der Tür steht. Hier ruinieren sie alles, was nicht bei 10 auf dem baum ist. “football’s coming home” wird in “road to amarillo” übergeblendet, irgendwann wird (zumindest gefühlt) stundenlang “here we go, here we go, here we go” gegröhlt, dann kommt noch “go west” und zum schluss wieder “football’s coming home”. Ganz ganz schlimme, gruselige Musik für Onkel Horsts Silvesterparty. 0 von 10 Punkten.

37: Azad feat. Cassandra Steen – “eines tages” / Video bei YouTube

Wer ist das eigentlich, der da neben Cassandra Steen zu Azads Gerappe singt? Schlumpfine? Klingt zumindest sehr seltsam. Und überflüssig. Ohne diese hochgepitchte Stimme wäre der Song für einen deutschen Rap-Song gar nicht so übel. Monotoner Azad-Rap, dazu weiblicher Geasang mit toller Melodie. Professionell produziert, ziemlich untypisch für Deutsch-Rap. Doch dann immer wieder: Schlumpfine. Und die wertet den Song dann doch noch ins Mittelmaß ab. Dennoch (für das Genre rekordverdächtige) 5 von 10 Punkten.

26. Kate Ryan – “je t’adore” / Video bei YouTube

Beim “Eurovision Song Contest” hatte sie keine Chance, schied für Belgien sensationellerweise im Halbfinale aus. In die Charts schafft sie es zumindest. Ihr Song “je t’adore” ist keiner ihrer besten, ein typischer, ausgefranster Europopsong ohne Höhepunkt und mit 08/15-Melodie. Ein bisschen 80er/90er-mäßig. 3 von 10 Punkten.

19: Mia. – “tanz der moleküle” / Video bei YouTube

Tja. Die hab’ ich ja sogar schonmal live gesehen. Und mochte vieles, was sie bisher veröffentlicht haben. Aber dieser Song, der will ja so gar nicht in meinen Kopf. Vielleicht auch, weil er viel zu Rosenstolzig klingt. Dabei ist die Grundmelodie eigentlich ganz okay. Aber sie wird eben zu klimperig und zu glatt vorgetragen. Für mich pures Mittelmaß. Schade. 5 von 10 Punkten.

18: Robbie Williams – “sin sin sin” / Video bei YouTube

Es gab schon bessere Robbie-Williams-Songs. Mindestens 30. “sin sin sin” ist langweiliger Pop ohne jeglichen Ohrwurmfaktor. Aber aus dem schwachen Album ist nunmal leider nichts Geeigneteres mehr für eine Single herauszuholen. Und daran, dass das Liedchen schwach ist, ändert auch das natürlich wieder teuer produzierte Video nichts, in dem sich Robiiiieeee so darstellt, wie er sicher gern wäre: Als Guru, der von jeder Menge Frauen angehimmelt wird. 4 von 10 Punkten.

17: Yoomiii – “gimme, gimme, gimme” / Video nicht verfügbar

Die Banaroo-Nachfolger von super RTL. Die Quoten ihrer täglichen “Doku”-Soap waren allerdings schwächer als die ihrer Vorgänger und die Charts-Position ist auch nicht so gut. Schließlich landeten Banaroo andauern auf Platz 1. “gimme, gimme, gimme” ist glücklicherweise keine Abba-Coverversion, sondern ein schlimm-peinliches Plastikpop-Nümmerchen, das Boney M zur Ehre gereicht hätte und nur etwas für Unter-10-Jährige ist. 1 von 10 Punkten.

05: Lordi – “hard rock hallelujah” / Video bei YouTube

Jetzt muss ich schon wieder über diese Schlagermonster schreiben. Und mir anhören, ich würde keinen Spaß verstehen. Ich schon. Die nicht. Denn was ist daran spaßig, sich als Monster zu verkleiden, aber dazu völlig schlechte Songs zwischen Europe, Alice Cooper und Bon Jovi zu singen? Und das auch noch mit Whiskey-Röchel-Stimme? Einfach zu lächerlich, um drüber lachen zu können. 2 von 10 Punkten.

04: Herbert Grönemeyer/Amadou & Mariam – “zeit, dass sich was dreht” / Video auf der Künstlerhomepage

Der offizielle deutsche WM-Song. Vor Grönemeyer hab’ ich ja seit seinem letzten Album “mensch” Respekt. Nicht wegen des damals rund um die Uhr in Fernsehen und Radio totgedudelten Titeltracks, sondern wegen der meisten anderen Songs, die zum Teil unfassbar gut waren. Bevor sein neues Album fertig ist, kommt er hier mit einer Worldmusic-Nummer, die Stimmung macht, ohne peinlich zu sein. Für einen WM-Song überraschend experimentell irgendwie. 6 von 10 Punkten.

Die Top Ten vom 2. Juni 2006:
01 (01) Texas Lightning – “no no never”
02 (02) Shakira feat. Wyclef Jean – “hips don’t lie”
03 (03) Gnarls Barkley – “crazy”
04 (–) Herbert Grönemeyer/Amadou & Mariam – “zeit, dass sich was dreht”
05 (–) Lordi – “hardrock hallelujah”
06 (04) Rihanna – “sos”
07 (05) Goleo VI pres. Lumidee vs. Fatman Scoop – “dance!”
08 (07) Oliver Pocher – “schwarz und weiss”
09 (06) Mry J. Blige feat. U2 – “one”
10 (08) Bob Sinclair pres. Goleo VI/Gary “Nesta” Pine – “love generation”

Ebenfalls erschienen, aber gefloppt:
– Daz Sampson – “teenage life”
– Diana Sorbello – “wir schwenken die fahnen”
– Die apokalyptischen Reiter – “friede sei mit dir”
– Kate Hall – “i feel so real”
– Las Ketchup – “un blodymary”
– Nizlopi – “jcb song (das bagger lied)”
– Witwentrio – “sperma ist ekelhaft”
– Zero 7 – “throw it all away”

8 Comments so far

  1. waschsalon on June 4th, 2006

    schöne zusammenstellung. aber jeder wm-trittbrettfahrersong ist immer noch besser als diese eitrige miitelohrentzündung von grönemeyer.

  2. vib on June 4th, 2006

    Sehe ich ähnlich. Und warum macht Herbert sowas? Braucht er Geld? Oder will er eine “Message” rüberbringen? Ich weiß nicht, was ich krampfiger finden würde… Experimentell ist daran übrigens eher wenig, weil der Mittelteil teilweise von der Fifa vorgeschrieben wurde. Es soll wohl auch Klingeltöne geben…

  3. form on June 5th, 2006

    Jaja, als ich neulich im Auto mal wieder Radio gehört hab, war ich doch schwer überrascht von diesem untypischen Geholze. Ist nicht wirklich mein Fall. Aber das macht ja nix.
    Ich werde trotz allem nicht müde, die frohe Botschaft zu verbreiten, dass es außerhalb der Charts und damit außerhalb der Wahrnehmung des pop.junkies sehr wohl sehr tollen, schönen, melodiösen, intellektuellen und in allerlei Richtungen anspruchsvollen Rap aus Deutschland gibt. Auch schön produzierten. Nämlich. Um mal diese furchtbare Arroganz und Ignoranz ein wenig aus der Welt zu schaffen. Aber solang eben Bushido in den Charts ist, werden euch meine Argumente gar zu grob fadenscheinig erscheinen. Naja, so ist das Leben.

  4. Oz on June 5th, 2006

    WM ist schlimmer als Karneval. Zumindestens was die Verseuchung deutscher Poplandschaften angeht. Hoffentlich werden dann die Spiele selber für all den Käse im Vorfeld (Karten, Blatter und Fifa-Werbe-Sponsoren-Terror) entschädigen …

    Axo, neben Sportfreunde Stiller (54, 74, 90, 2006) geht übrigengs meiner Meinung nach noch das Teil von Max Raabe Schieß den Ball in’s Tor in Ordnung.

  5. McOdysseus on June 5th, 2006

    Oha! Zero7 gefloppt!
    Man hätte es wohl eher mit ‘You’re My Flame’ ersuchen sollen. Vielleicht/hoffentlich beim nächsten Versuch…

  6. NoOneYouKnow on June 5th, 2006

    “Grönemeyer kann nicht tanzen” wusste man schon in den 80ern und es gilt auch heute noch.

  7. montu on June 6th, 2006

    Grönemeiers Weltdreh-Song geht ja mal gar nicht.
    Bei dem Lied dräehäeähäeähähät sich mir höchstens der Magen um.
    Selten so einen Scheiß gehört.
    Da passt überhaupt nichts zusammen.
    Wenn Deutschland so Fußball spielt wie Herbert singt, können unsere Jungs nach der Vorrunde in Urlaub fahren, möglichst dahin wo dieser Song niemals zu hören sein wird.

  8. […] Für solche Tracks 800 Euro zahlen zu müssen, weil die Rechte in irgendwelchen Konzernetagen verrotten, ist ein schlechter Witz. Hätte ich diesen Song nicht online gefunden, hätte ich ihn wohl nie wieder gehört. Aber wenn man ihn aufstöbert und Leuten vorstellt, bekommt man eine volle Breitseite abmahngeiler Anwälte vor den Latz. Der einzige Track, bei dem ich den Schaden einsehen würde, war einer vom kürzlich erschienenen Album der Band Zero7, deren erste Single grandios gefloppt ist, die also ein wenig PR gut gebrauchen könnten. […]

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