popkulturjunkies tierleben (1). 25
Ein besonderes Exemplar in der subkulturellen Fauna ist der männliche Kirmestechno-Hörer. Er wagt sich gern aus dem Dickicht seines geschützten Umfeldes, um zu zeigen wie toll er ist. Besonders gehäuft tritt er in Zügen der Deutschen Bahn in Erscheinung. Freitag- und Sonntagabends sitzt er vornehmlich in den Gängen, weil er keine Reservierung hat. Meist fährt er zu oder kommt von seinem Dienstort. Eine große Zahl der männlichen Kirmestechno-Hörer dient nämlich bei der Bundeswehr. Hier, in der Bahn, wo er zeigen kann, wie toll er ist und nicht in der dienenden Masse untergeht, kann er angeben mit seinem Fitnesscenter-gestählten Körper. Auf den Ohren immer in übertriebener Lautstärke harte Beats und stumpfe Melodien. “oh heaven is a place on earth”. Sollten sich Lebewesen anderen Geschlechts in der Nähe befinden, nutzt der männliche Kirmestechno-Hörer die Gelegenheit gern, um ein paar Blicke auf weibliche Geschlechtsmerkmale zu riskieren. Sollte das Opfer es merken – ihm doch egal. Schließlich zeigt die Musik auf seinen Ohren, was für ein toller Kerl er ist. Dass seine Musik schon seit Jahren out ist – ihm egal. Da, wo er herkommt – meist aus der Provinz – hören das alle, ist es geiler Scheiß. Im Halbstundenrythmus öffnet sich der männliche Kirmestechno-Hörer dann eine Flasche Bier, nutzt die erste leergetrunkene Flasche als Aschenbecher und liest Tuningzeitschriften oder T-Shirt-Kataloge, in denen ihn besonders die Seiten mit dem Böhse-Onkelz-Merchandising interessieren. Böhse Onkelz und Kirmestechno passen schließlich sehr gut zusammen. Menschen, die sich in seiner Nähe aufhalten müssen, stundenlang, die sind ihm egal. Auch wenn sie in all den Stunden, in denen sie zum wiederholten Male die Kirmestechno-Version des 80er-Klassikers “heaven is a place on earth” hören müssen, denken: “hell is a place on earth”.