tv-test exklusiv: “survivor”. 19
Dankenswerterweise hat ProSieben mir heute Morgen per FTP die erste (seit gestern zu 99 % fertige) Episode des deutschen “Survivor” zukommen lassen. Daher kann ich nun an dieser Stelle exklusiv die erste Kritik Deutschlands zur neuen ProSieben-Realityshow veröffentlichen, die heute abend um 20.15 Uhr startet – ein TV-Test, der daher etwas länger ausfällt als üblicherweise.
Format: “Survivor”
Sender: ProSieben
Produktion: Tresor TV
Genre: Realityshow
Programmplatz: Di., 20.15
Frequenz: wöchentlich
Dauer: 60 Minuten
Start: 14. August 2007
Kritik: Ich muss vorab erwähnen, dass ich – wie so mancher sicher schon mitbekommen haben dürfte – großer Fan der US-Version von “Survivor” bin, nahezu alle Staffeln gesehen habe. Das bedeutet zum Einen natürlich, dass ich schon von vornherein begeistert von dem Showkonzept bin, im Umkehrschluss allerdings auch, dass ich – verwöhnt durch die Perfektion der US-Version – hohe Ansprüche an die deutsche Umsetzung hatte. Wem die Idee von “Survivor” nicht so bekannt ist, oder wer sie als “‘Big Brother’ auf einer Insel” missverstanden hat, für den hier das Grundkonzept: 18 Leute werden in zwei Teams auf einer einsamen Insel ausgesetzt, haben nichts außer ein paar Grundnahrungsmitteln und ihrer Kleidung dabei und müssen sich 50 Tage durchschlagen. Regelmäßig gibt es so genannte Challenges, Spiele, in denen Belohnungen gewonnen werden können – und viel wichtiger: Immunität. An den Abenden nach den Immunitäts-Challenges muss das jeweilige Verliererteam nämlich in den Inselrat. Dort wird einer aus ihren Reihen herausgewählt, er muss die Insel sofort verlassen. Das, was durch diese verschiedenen Zutaten entsteht, ist ein spannender Mix aus Abenteuershow, Realityformat, Soap und Psycho-Elementen. Exzellent unterhaltendes Fernsehen.
In den USA läuft “Survivor” seit Mai 2000 – mittlerweile in zwei Staffeln pro Jahr – bei CBS. Im Herbst startet dort die inzwischen 15. Staffel, “Survivor: China”. In Deutschland gab es Anfang des Jahrzehnts verschiedene Versuche bei diversen Sendern, das Konzept hierzulande zu etablieren. So lief bei RTL II im Herbst 2000 “Expedition Robinson“, Sat.1 kam mit dem “Inselduell” einige Zeit vorher auf den Markt. Beide Formate erzielten gute bis hervorragende Einschaltquoten, “Das Inselduell” kletterte in der werberelevanten Zielgruppe sogar auf mehr als 20%. Zahlen, von denen der Sender heutzutage nur noch träumen kann, wenn er nicht gerade Fußball zeigt. 2001 folgte dann noch “Gestrandet” bei RTL II und 2002 “Outback” bei RTL. Einige Skandale und die traditionelle Zurückhaltung der deutschen Werbungtreibenden bei Realityshows führten dann aber dazu, dass es keinen weiteren “Survivor”-Clone gab. Bis heute.
ProSieben hat nun also die Rechte an “Survivor” erworben und zwischen Mai und Juli auf einer kleinen Insel im Osten Malaysias gedreht. Aus dem Material entstehen derzeit bei Tresor TV die geplanten 14 Episoden. Was beim Ansehen als Erstes auffällt, ist die Musik. Da man die Rechte an der US-“Survivor”-Musik nicht bekommen hat, musste eigene komponiert werden. Das legendäre “Survivor”-Titeltheme fehlt also. Die deutsche “Survivor”-Musik ist dennoch sehr gelungen: meist sehr passend und atmosphärisch, an einigen Stellen sogar beinahe Gänsehaut produzierend. Sehr löblich, dass nicht wie bei allen anderen Realityshows irgendwelche Hits der 90er verwendet wurden, deren Textfragmente zufällig zur Situation in der Show passten. Stattdessen: Filmmusik mit Hollywood-Qualität.
Ansonsten hält sich das deutsche “Survivor” sehr an das Original. Von den ersten Sequenzen über den Vorspann, das Schwimmen zur Insel, die Challenges, den Inselrat – alle Fragmente des Spiels und der Show wurden konsequent übernommen. Warum sollte man das Erfolgskonzept auch ändern? Positiv fällt die hochwertige und aufwändige Produktion auf. Für eine Realityshow sind die Bilder wirklich toll, Zwischensequenzen, Schnitt und Bildregie – es gibt kaum etwas an der ersten Episode auszusetzen.
Alles schön und gut, viel wichtiger als Musik und Optik sind bei einer Show wie “Survivor” aber der Cast und die Geschichten, die erzählt werden. Es bringt schließlich wenig, langweilige Typen 50 Tage lang in Hochglanzoptik beim Rumliegen im Sand abzufilmen. Ob der Cast wirklich gut ist, wird sich in den weiteren Episoden zeigen müssen, doch die Auswahl der Kandidaten erscheint gelungen: Natürlich sind viele junge gut aussehende Männer und Frauen darunter, aber auch fünf Kandidaten, die über 40 sind. Darunter Typen, die schon von Beginn an das Ruder an sich reißen, Chef spielen und sich unbeliebt machen – der nervige Mental-Coach Arno beispielsweise – genau so wie faule Säcke, die sich nicht an der Arbeit beteiligen. Genau so muss es sein, damit sich Spannungen zwischen den Kandidaten aufbauen, die dann zu Verschwörungen, Intrigen und Psycho-Spielchen führen – und damit den Zuschauer unterhalten.
Moderator Sascha Kalupke macht seine Sache ebenfalls ordentlich. Es war wohl eine gute Entscheidung, kein allzu bekanntes Gesicht zu verpflichten, denn der Moderator ist bei “Survivor” eher ein Spielbegleiter, der keine wirkliche Hauptrolle spielt. Ein prominenter Moderator hätte wahrscheinlich nur vom eigentlichen Geschehen abgelenkt.
Ihr merkt schon: Ich bin wirklich relativ begeistert von der ersten “Survivor”-Episode. ProSieben und Tresor haben ihr Möglichstes getan, um sich von Trashformaten abzusetzen und hochwertiges Realityfernsehen zu zeigen. Wenn nun noch die Kandidaten für interessante Geschichten sorgen, dürfte die erste Staffel ein fester Anker in der Dienstagabendplanung werden. Ich bin jetzt gespannt auf die Quote, die morgen zeigen wird, ob “Survivor” auf einem der (dank “CSI: Miami”) schwierigsten Sendeplätze des deutschen Fernsehens bestehen kann. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall.
Wertung: 8 von 10 Punkten.