deutscher fernsehpreis 2007.
Zum Livebloggen hatte ich keine Lust, aber dennoch will ich ein paar Worte zur diesjährigen Fernsehpreis-Verleihung verlieren. Wegen eines Mannes war ich schon recht froh, in diesem Jahr nicht live im Coloneum gewesen zu sein: Marco Schreyl. Ich hätte wahrscheinlich für einen Eklat gesorgt, wenn ich mitten während der Show im Saal aufgestanden wäre, um laut zu brüllen: “Es reicht, Schreyl, Du kannst das nicht! Geh weg!”. Selten habe ich bei einer Showmoderation so viele Fremdschäm-Momente und so viel Peinlichkeit erlebt. Schreyl war nicht ein einziges Mal witzig oder wenigstens amüsant. Auch die meisten Laudatoren waren eher langweilig. Die beiden großen Ausnahmen für mich – überraschenderweise – Oliver Pocher und – wenig überraschend – Kurt Krömer. Bei den Preisträgern hätte es eindeutig schlimmer kommen können. In den meisten Kategorien zeichnete die Jury die Sendungen aus, die auch meiner Meinung nach den Preis verdient hatten. Werfen wir einen Blick darauf:
Bester Fernsehfilm/Mehrteiler: “Rose” (ARD)
Ich habe den Film nicht gesehen, finde es aber sehr lobenswert, dass die Jury nicht den vorhersehbaren Weg gegangen ist, den Schmonz “Die Flucht” auszuzeichnen, sondern einen kleinen Film.
Beste Serie: “KDD – Kriminaldauerdienst” (ZDF)
Sehr verdient. “RIS” fand ich zwar auch gut, aber “KDD” war einfach eine überragende, mutige, ungewöhnliche Produktion, der jeder Preis zusteht, den es nur geben kann.
Beste Sitcom: “Stromberg” (ProSieben)
In derselben Kategorie die beiden RTL-Mittelmäßigkeiten “Kinder, Kinder” und “Mitten im Leben” zu nominieren, war schon schlimm. Aber immerhin gab es damit wohl keine Diskussion in der Jury, wer den Preis gewinnen soll. Natürlich ebenfalls völlig verdient.
Beste Unterhaltungssendung/Beste Moderation Unterhaltung: “Schlag den Raab” (ProSieben)
Auch dieser Preis freut mich, da “Schlag den Raab” meiner Meinung nach die größte Innovation des deutschen Fernsehshowgenres seit vielen Jahren ist. Und die beiden Nominierungskonkurrenten “Germany’s next Topmodel” und “Let’s dance” sind nunmal nur deutsche Umsetzungen internationaler Formate.
Beste Dokumentation: “Im Schatten der Blutrache” (ARD)
Freut mich sehr, da ich den Film ebenfalls sehr beeindruckend fand und er im Gegensatz zur Spiegel-TV-Produktion “Wettlauf um die Welt” nicht mit perfekter Produktion und Hochglanz geglänzt hat, sondern mit der erzählten Geschichte.
Beste Reportage: “Der Gotteskrieger und seine Frau” (ARD)
Hab ich leider auch nicht gesehen, aber es beruhigt mich, dass die ARD in dieser Kategorie gegen RTL gewonnen hat.
Beste Informationssendung: “RTL aktuell” (RTL)
Der Preis, der mich am meisten ärgert. “RTL aktuell” mag die seriöseste Nachrichtensendung des Privatfernsehens sein, aber den Preis nicht den “Tagesthemen” oder wenigstens dem “heute-journal” zu verleihen, ist ein mittlerer Skandal und kann wohl tatsächlich nur damit erklärt werden, dass RTL in diesem Jahr der Ausrichter der Verleihung war und ansonsten nur einen Preis für “Die Super Nanny” gewonnen hätte. Die RTL-Cross-Promotion-Plattform und tägliche “Forscher aus Amerika haben ein neues sensationellers Mittel gegen Krebs entdeckt”-Verkündigungssendung hat zumindest auf keinen Fall einen Preis als “Informationssendung” verdient.
Beste Sportsendung: “Blut und Spiele” (ARD)
Ich habe alle drei Nominierten gesehen und bin derselben Meinung wie die Jury. Die beiden anderen Reportagen waren zwar ebenfalls sehr gut, aber “Blut und Spiele” noch einen Tick besser.
Beste Kochshow: “Das perfekte Dinner” (Vox)
Abgesehen davon, dass ich es etwas seltsam finde, eine eigene Kategorie für Kochshows zu erfinden, bin ich mit dem Preisträger zufrieden, denn “Das perfekte Dinner” ist ja letztlich gar keine Kochshow, sondern eine unterhaltsame Doku-Soap, in der es auch ums Kochen geht, aber eben nicht nur.
Beste Regie: Lars Kraume (“Guten Morgen, Herr Grothe” / ARD)
Leider nicht gesehen, muss ich aber nachholen.
Bestes Buch: Ralf Husmann (“Dr. Psycho” und “Stromberg” / ProSieben)
Kann man durchaus machen. Zumindest eine ungewöhnliche Entscheidung, mal einen Comedy-Autoren den Fernsehfilm- und Drama-Serien-Schreibern vorzuziehen.
Bester Schauspieler: Matthias Koeberlin (“Tornado – Der Zorn des Himmels” / ProSieben)
Sehr sympathische Dankesrede, schon deswegen ein erfreulicher Preis, auch wenn ich persönlich eher Ulrich Tukur ausgezeichnet hätte.
Beste Schauspielerin: Maria Furtwängler (“Tatort” / ARD)
Irgendwann muss mir mal jemand erklären, was so besonders an der schauspielerischen Leistung von Maria Furtwängler sein soll. Ich habe das nämlich noch nie verstanden. Sie spielt die “Tatort”-Ermittlerin solide, aber mir würden viele viele Schauspielerinnen einfallen, die den Preis eher verdient hätten, die beiden anderen Nominierten Veronica Ferres und vor allem Nadja Uhl im Ãœbrigen auch.
Bester Schauspieler Nebenrolle: Gabriela Maria Schmeide (“Die Flucht” / ARD)
Die Entscheidung, Kochshows und “TV-Beratern” eine eigene Kategorie zu widmen, aber bei den Nebenrollen nicht einmal einen eigenen Preis für Männer und Frauen zu verleihen, finde ich ziemlich daneben. Den Preis für Frau Schmeide hingegen nicht.
Beste Moderation Information: Reinhold Beckmann (“Beckmann” / ARD)
Ich hätte mir zwar andere ich einer solchen Kategorie gewünscht als drei Interviewer, aber Beckmann (Preis für das Dietz-Doping-Geständnis) war im Vergleich zu Kerner und Herres, der für das relativ langweilige Gespräch mit Buback und Boock nominiert war, das kleinere Übel.
Beste Comedy: Urban Priol und Georg Schramm (“Neues aus der Anstalt” / ZDF)
Ich mag Urban Priol nicht. Ich mag Georg Schramm nicht. Ich mag “Neues aus der Anstalt” nicht. Ich hätte Mathias Richling den Preis gegeben.
Beste Kamera: Philipp Sichler (“Sperling und die kalte Angst” / ZDF)
Bester Schnitt: Florian Drechsler (“Sperling und die kalte Angst” / ZDF)
Beste Musik: Enjott Schneider (“Die Flucht” und “Nicht alle waren Mörder” / ARD)
Beste Ausstattung: Knut Loewe und Wiebke Kratz (“Die Flucht” / ARD und “R.I.S.” / Sat.1)
Viermal: Herzlichen Glückwunsch.
Bester TV-Berater: Katharina Saalfrank (“Die Super Nanny” / RTL)
Die Dankesrede von Frau Saalfrank war zwar überaus sympathisch und erfrischend bescheiden, aber ich hätte den Preis trotzdem “Rach, der Restauranttester” verliehen.
Außerdem gab es den Lebenswerk-Preis für Götz George, den besten Schauspieler, den wir in Deutschland haben, und einen völlig überflüssigen Sonderpreis für Michael Schumacher. Was der mit Fernsehen zu tun hat, außer dass RTL seine Rennen übertragen hat, muss mir auch nochmal jemand erklären. Vielleicht gibt’s dann ja im nächsten Jahr einen Fernsehpreis für den Papst – der ist auch ständig im Fernsehen.
Im Senderranking bedeutet das folgendes Ergebnis:
1. ARD (9einhalb Preise)
2. ZDF und ProSieben (je vier Preise)
4. RTL (2 Preise)
5. Vox (1 Preis)
6. Sat.1 (ein halber Preis)
Insgesamt also eine okaye Veranstaltung mit einem miserablen Moderator und weitgehend verdienten Preisen.
Maria Furtwängler war wohl das kleinere Ãœbel zu Vroni, die ist nämlich tatsächlich Darstellerin, vorwiegend ihrer selbst. Nadja Uhl hätte den Preis für ihre Wandlungsfähigkeit allemal dicke verdient für “Nicht alle waren Mörder”. “Sommer auf dem Balkon” gehört überdies zum Besten Deutschen Kinofilm des vergangenen Jahres.
Ansonsten kann ich mich der Meinung nur anschließen, ausser der Einschätzung zur Sendung “Rach – Der Restauranttester”. Ein derart unsympathischer und arroganter Mensch, der den Personen nicht hilft sondern, passend zur Sendung, nur in die Pfanne haut…
Außerdem macht wohl auch das 70% ihrer Karriere aus: “Seit dem 8. November 1991 ist Furtwängler mit dem Verleger Hubert Burda verheiratet.”
Und Burda will man lieber nicht verärgern und belästigen mit der Wahrheit.
By the way, Jens: Hast du meine damalige Mail bezüglich des Interviews nicht bekommen? Da kam nämlich nie was zurück.
ich habe die verleihung nur zur hälfte gesehen, stimme aber im großen und ganzen überein kommentaren. anneke kim sarnau oder roeland wiesnekker hätte ich eigentlich auch ganz gern mit preisen bedacht gesehen, aber die beiden haben ganz sicherlich auch noch zukunft.
sehr positiv überrascht war ich auch von pocher, der in seinen wenigen sätzen die deutsche fernsehlandschaft sehr treffend charakterisiert hat. sicherlich hat er den text nicht selbst geschrieben, aber es gibt hoffnung für seine kommende sendung mit schmidt. nur das lachen über seine eigenen witze muss er sich noch abgewöhnen.
und irgendwie bin ich froh, dass ich die auszeichnung für die beste kochshow verpasst habe. was kommt nächstes jahr? der preis für das beste call-in-quiz?
@rumo: Dass Pocher seine Witze selbst schreibt, denke ich schon.
@popkulturjunkie: “KDD” lief natürlich nicht bei RTL, sondern beim ZDF.
Sehr faszinierend finde ich auch, dass Christian Buß von SpOn (http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,508690,00.html) definitiv eine andere Sendung als ich, Stefan Niggemeier (http://www.fernsehlexikon.de/blog/der-deutsche-fernsehpreis-2007-live/) oder eben der Popkulturjunkie gesehen hat.
Ich finde gerade den Preis für “Neues aus der Anstalt” seeeehr verdient. Seit der ersten Sendung beweisen Priol und Schramm, dass sie den Biss haben, der Jonas und Rogler häufig fehlt. Brilliantes Kabarett: nachdenklich, bissig, intelligent.
Ansonsten kann ich dir zustimmen (auch wenn ich nicht alles gesehen habe, was nominiert war (wer hat das schon ;-) )
@form: Ja, hatte ich auch beantwortet – mit einer Absage.
@Henrik: Natürlich. Danke für den Fehler-Hinweis.