der echo und so.

Ich hab mich gestern abend ja ziemlich aufgeregt. Ãœber die Heerscharen von Ãœblichen Verdächtigen, die von Minute 1 an per Twitter rumblökten, wie peinlich das alles sei, was für “Nutten” da Musik machen würden und dass Fernsehen nie schlechter war. Auch heute sind die Websites und Blogs voll mit Schmähkritiken über die Verleihung der Echos, die nach jahrelangem RTL-Aufenthalt wieder im Ersten gelandet ist. Der vor Vorurteilen und Einseitigkeit strotzende Text bei “sueddeutsche.de” ist nur ein Beispiel.

Ich habe mich nicht deswegen über all diesen Hass aufgeregt, weil ich die ARD-Show großartig, grandios und einzigartig fand. Sondern weil für mich all dieses Rumgeschreie und Rumkritisiere längst nur noch samstagabendliche Routine geworden ist. Man hockt sich um viertel nach 8 vor den Fernseher und findet scheiße, was immer auch gerade läuft. Egal, ob “Wetten, dass..?”, irgendeine RTL-Show oder eben die Verleihung der Echos. Alles muss scheiße gefunden werden, damit man nicht sein Gesicht verliert und sich selbst noch als cool empfinden kann. Auch wenn man es nie war. Denn wo kämen wir denn dahin, eine Sendung auch nur halbwegs mittelmäßig finden zu dürfen, in der Bruce Darnell und Florian Silbereisen auftreten?

Natürlich gab es ein paar Tiefpunkte in der Show: Bruce Darnell war unterirdisch, Jeanette Biedermann schlimm und Michael Mittermeier nur noch der Schatten eines Comedians. Aber hey: Es gab den wohl modernsten U2-Song seit vielen Jahren in einer tollen Live-Version, die vielleicht beste – und ich kann diese Band eigentlich leider nicht mehr ernst nehmen – Depeche-Mode-Single als Welt-Premiere (!). Es gab fünf grandiose und herzerweichende Minuten mit Udo Lindenberg, auch gegen die sympathische Amy McDonald oder gegen Katy Perry ist doch eigentlich nichts zu sagen. Und wann gibt es schonmal Razorlight in einer Prime-Time-Show von ARD, ZDF oder RTL?

Dass dazwischen auch Leute wie Paul Potts, Thomas Godoj oder Florian Silbereisen rumlaufen, ist halt so. Es handelt sich hier nämlich nicht um die Krönung der Gewinner des “spex”-Leserpolls, sondern um einen Preis für die erfolgreichsten Mainstream-Musiker Deutschlands. Und außerdem: Eine Samstagabendshow kann und darf es nicht jedem recht machen. Sie muss möglichst große Familien- und Massentauglichkeit bieten. Aber dass ist den Doof-Findern ja ohnehin egal. Für sie gehört es zur Routine, samstags pünktlich um 20.15 Uhr das Gehirn mit dem Bier herunterzuspülen und anschließend aus Textschablonen Schmähkritiken zu schnitzen oder halbgaren Hass über Twitter abzusondern. Mir geht diese Routine allmählich gehörig auf den Sack.

13 Comments so far

  1. Torsten on February 22nd, 2009

    Selten habe ich so gerne einem Beitrag zugestimmt. Die Fähigkeit vieler Kritiker, “ist nicht mein Geschmack” und “ist nicht gut” zu unterscheiden, scheint zu verkümmern.

  2. Daniel on February 22nd, 2009

    Ach, die Echos wurden verliehen? :-) Nein, im Ernst – da unsereinen sowieso nichts mehr vom Hocker hauen kann, gehöre ich zu denen, die bewusst einige Dinge ausblenden. TV gehört in letzter Zeit immer häufiger dazu. Und wenn ich einschalte, dann bewusst. Sicher nicht für eine Echo-Verleihung. Allerdings schreie ich dann auch nicht über Twitter, wie schlimm das Fernsehen ist. Insgesamt: Sehr schöne Meinung.

  3. Jubai on February 22nd, 2009

    Ich gebe dir insofern recht als das die am Samstagabend um 20 Uhr natürlich massentauglich sein müssen. Aber warum kriegt niemand außer Udo / Lionel Richie eine halbwegs ordentliche “Danksagung” hin? Warum paßt nicht ein Gag von Pocher (Ok, das ist man ja gewöhnt, aber wie du ja selber schreibst: Was war das für ein Totalausfall von Mittermeier? Koks?)? Warum muss Ochsenknecht bei jeder Gelegenheit seine Kinder ins Rampenlicht zerren? Bushido’s “Laudatio”, die ganzen Casting-Show Nullnummern und und und…

    Vielleicht war’s dieses Jahr besser als in den letzten Jahren, vielleicht muss man den ganzen Quatsch bringen um Oma und Opa und die kleine Mandy zu bedienen.

    Ich glaube aber dass da noch sehr, sehr viel Luft nach oben ist.

    Peace

  4. Jürgen Siebert on February 22nd, 2009

    Klasse Kommentar. Danke. Das Peinliche an diesen selbsternannten Kritikern ist ihr Intoleranz gegenüber andere Musikrichtungen und deren Hörer.

  5. Jeriko on February 22nd, 2009

    Lustig, ich habe mich erst gestern an die re:publica ’08 erinnert, als Herr Knüwer gegen den ARD-Intendanten wetterte, was für ein schlechtes Programm die Öffentlich-Rechtlichen doch liefern würden, und dann deine Antwort darauf. Und der Beitrag hier ist quasi die schriftliche Form besagter Antwort, und damals wie heute bleibt mir nur, ein kleines stilles “Danke dafür” zu sagen.

  6. Guido on February 22nd, 2009

    Ganz ehrlich: Ich wurde von der diesjährigen ECHO-Verleihung grandios unterhalten. So gut wie schon lange von keiner Samstagabendshow mehr. Eine runde Sendung. Eben gerade weil zwischen unterirdischen und grandiosen Darbietungen teils nur Sekunden lagen. Von Bitterböse bis absolut liebenswert war alles dabei. Musikalisch über den eigenen Tellerrand zu schauen, hat noch keinem geschadet. Und wir sollten dankbar sein: Das Ding hätte auch vom Pilawa wegmoderiert werden können.

  7. Tyler on February 22nd, 2009

    Kate Perry war übel erkältet und hat trotzdem live gesungen. Überhaupt gab es viele live Nummern. Ich fand das cool, gefiel mir.

  8. Tobias Singer on February 22nd, 2009

    Auch ich stimme deinem Kommentar zu. Ich verstehe einfach nicht, warum viele Leute die Sendungen überhaupt gucken, wenn sie sie so schlecht finden. Mich interessiert der Echo zum Beispiel nicht die Bohne. Ich hab ihn auch nicht gesehen und hab deshalb auch nichts zu meckern. Ich habe zwar keine positive Meinung vom Echo, aber die muss ich nicht jedem überall und ungefragt um die Ohren hauen.

    Das heißt natürlich nicht, dass ich nie über etwas meckere, was ich im Fernsehen sehe, aber dieses voreingenommene Meckern aus Prinzip gegen alles und jeden muss einfach nicht sein.

  9. Sonnenkicker on February 22nd, 2009

    Danke für diesen Text, den ich nur zustimmen kann. Habe nur die letzte Stunde gesehen, fands aber sehr unterhaltsam, auch wenn es manchmal unabsichtlich witzig war. Eigentlich sollte man stolz sein, dass es keine sturzlangweilige Show oder gar eine Ami-Kopie war. Weltpremiere von Depeche Mode => RESPEKT!
    Kann es sein, dass die Halle ein Stimmungstöter war.
    Hab den Mittermeier nicht gesehen, scheine ich ja was verpasst zu haben.

  10. Michael on February 22nd, 2009

    Man muss mal anerkennen, dass der Echo aus dem furchtbaren Estrel befreit wurde. WIeder richtig Publikum da war, ohne dass man ueberall o2, musicload etc lesen musste und die Acts sich ziemlich sehen lassen konnten, im Vergleich zu den letzten Jahren.
    Hat sicher auch was mit den ARD Pop/Jugendwellen zu tun.

    Ja, die meisten Laudationen waren solala, krampfhafte Texte, liegt nicht unbedingt nur an den Autoren, sondern auch an der Unsicherheit der Stars, aber insgesamt fand ich es toll gemacht.

    Es war auf jeden Fall schneller und schriller, als die letzten Echos bei RTL.

    Ich fands auch gut, dass die Spatzen, der Silbereisen und die anderen Ultramainstreammusiker so schamhaft versteckt wurden, wie beim Ertl.

    Das war ne Show fuer die ganze Familie.

    Selbst Pocher hat mir gefallen.

    Und endlich mal live und nicht live versetzt oder ganz auf Tape…

  11. Raventhird on February 23rd, 2009

    Sorry. Aber: Depeche Mode und U2 sind sowas von Schatten ihrer selbst. Die müssen inzwischen bei ihren eigenen Songs klauen, um noch irgendwas zu finden. Ja, die U2-Single klingt “modern”. Aber ein guter Song ist etwas ganz anderes. Der Rest des Albums dudelt dann doch eher “klassisch” vor sich hin, ist aber kaum besser.

  12. HASENFARM on February 23rd, 2009

    Ich kann dir nur zustimmen. Der ECHO war mal grott und versucht sich neu aufzustellen. Klar, dass es immer Tops und Flops gibt, aber das ist selbst bei Siegerehrungen des örtlichen Kegelvereins nicht anders. U2 und Depeche Mode waren umwerfend und auch sonst überraschte der ECHO mit verdienten Preisträgern.
    Bei uns wurde somit nicht rumgefrötzelt: http://www.hasen-farm.de/2009/02/21/alle-gewinner-des-echo-2009-und-vieles-mehr/

  13. […] das ist würdelos, tausendmal würdeloser als die kritisierte Berichtersatttung. Wie schon neulich, als ich mich über die Echo-Pöbler aufgeregt habe, glaube ich, dass viele Leute bewusst nur die Sender und die Medien nutzen, bei denen sie sich am […]

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