popkulturjunkie on tour: editors in krefeld.

Es gibt Konzert-Abende, an denen man schon nach wenigen Minuten denkt, man sei zu alt für diesen Scheiß. Man regt sich auf über Holländer, die alle zwei Minuten durch die halbe Halle laufen, um Bier zu holen. Man regt sich auf über Idioten, die einem ständig ihren Zigarettenrauch von hinten an den Hals blasen. Man ist kurz davor, seine Konzertgänger-Karriere zu beenden. Noch dazu, wenn eine Vorband mit dem schlechtest-abgestimmten Sound spielt, den ich wohl je bei einem Konzert gehört habe: Sänger viel zu leise, Rest viel zu laut. Womöglich hätte die Mobius Band, deren Songs mir in einigen Clips im Vorfeld allerdings auch nicht ober-positiv aufgefallen waren, sogar halbwegs Spaß gemacht – aber mit dem miesen Sound war daran nicht zu denken. Es war also ein Abend, der so begann, als würde es kein schöner Abend. Bis dahin.

Doch dann, gegen 22.30 Uhr, nach gefühlten drei Tagen Wartezeit erklangen die ersten bekannten Töne, die Editors kamen auf die Bühne und alles änderte sich. Nach wenigen Sekunden erfasste mich eine Gänsehaut, die mich während der folgenden anderthalb Stunden kaum verließ. Mir waren die Menschen um mich herum völlig egal. Sollten sie doch nerven, solang dort vorne auf der Bühne etwas Unglaubliches passierte. Die beiden Editors-Alben sind mir ohnehin schon sehr schnell ans Herz gewachsen, dass die Songs allerdings live nochmal ein Level besser sein würden, hätte ich niemals gedacht. Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal eine solch großartige Live-Band gesehen habe – wahrscheinlich war es Radiohead – damals in Hamburg. Was allein Tom Smith dort vorne bot, war kaum zu toppen: Euphorie, Ekstase, der Mann lebt seine Musik, es gibt für ihn wahrscheinlich nichts Größeres als seine Musik zu spielen und ein Publikum zu begeistern. Ohne Pause tobte er auf der Bühne herum, kletterte auf sein Klavier, sang voller Inbrunst seine Texte, spielte Gitarre als wäre es eine Waffe. Herausragend. Und dann kam auch noch das:

Sowieso: die Musik. Nach den ersten vier, fünf Songs dachte ich noch: “Man, die spielen ja alle Hits gleich zu Beginn, wenn das mal gutgeht”. War natürlich ein Schwachsinnsgedanke, schließlich gibt es auf den beiden Alben eigentlich nur Hits. So hatte das Konzert auch keinerlei Tiefpunkte, es war eine einzige intensive Welle, die durch die Halle schwappte und den ausverkauften Laden mitriss. Immer wieder schloss ich die Augen, genoss den Augenblick, die grandiose Musik, das Leben.

Wahrscheinlich ist es ohnehin der beste Zeitpunkt, eine Band live zu erleben, nachdem sie zwei Alben veröffentlicht hat. Das Konzert wird nicht zu kurz, weil es noch zu wenige Songs gibt – und es gleitet nicht in eine Best-of-Greatest-Hits-Show ab, weil das Publikum doch all die alten Gassenhauer hören will – und nicht diese neuen Songs. Genau diese Konzerte habe ich in den vergangenen Monaten vermisst: kein netter Abend mit einer leidlich unterhaltsamen Band, kein Kommerzevent in einer der Philipshallen dieser Welt, sondern das hier. Musik, wie sein soll. Dieses Konzert war eine verdammte Sensation. Und ich bin noch lang nicht zu alt für diesen Scheiß.

6 Comments so far

  1. Mario on March 15th, 2008

    Vorbands werden übrigens im Normalfall mutwillig von der Mixer-Crew mies abgemischt, da diese dafür Sorge zu tragen hat, dass der Haupt-Act ausreichend glänzt. Nein, das ist keine Verschwörungtheorie, sondern ein schmerzhaft erfahrener Erfahrungswert.

  2. asa on March 15th, 2008

    Wir waren auch dort und mir gefiel die erste Vorband sehr, sehr gut…
    Das war gestern ein eher wilder Abend, denke ich, der Tourauftakt in Kölns Live Music Hall war getragener mit mehr alten Stücken, wenn ich das richtig im Kopf habe, das war etwas stimmiger…
    Gestern dann die donnernde Hitmaschine…aber auf jeden Fall gut genug, meinen Mann zu überzeugen, dass sie live besser sind als Interpol :-)

  3. Burgherr on March 15th, 2008

    Toller Beitrag. Ich habe mir erlaubt, auf diese Seite zu verlinken, weil ich diese Erfahrungen teile. Was war der beste Song? “Banging heads”?

  4. popkulturjunkie on March 15th, 2008

    mein persönliches Highlight war “escape the nest”.

  5. Burgherr on March 15th, 2008

    … das ist mein Lieblingssong auf “An end has a start”, ich hoffe, dass wird noch eine Single..

  6. PhilParma on March 15th, 2008

    Mobius Band ist doch super. :-(
    http://www.youtube.com/watch?v=OR_J3JQb00Q

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