Um etwas Tempo zu machen bei der immerwährenden Aufholjagd der Charts-Kritiken kommt hier gleich noch eine Woche. Die New Entries der deutschen Single-Charts vom 12. September 2005.
98: DJ Ostkurve / David Hasselhoff – “limbo dance” / Video nicht verfügbar
Diesmal gibt’s den Tiefpunkt der Chartswoche gleich zu Beginn. DJ Ostkurve unterlegt für alle besoffenen Ballermänner den 1992er-Hasselhoff-Hit “limbo dance” (der im Original schon beschissen war) mit altmodischen Techno-Beats und fertig ist eine Single, die die Welt nicht braucht. 0 von 10 Punkten.
87: Madagascar 5 – “i like to move it” / Video nicht verfügbar
Bei den Charts vom 29. August wurde ich zu Recht darauf hingewiesen, dass das Comeback von “i like to move it” mit dem Film “Madagascar” zu tun hat. Hier kommt nun eine fast identische Version des Ex-Hits vom Label Zyx, das gerne mal Billig-Hits produziert, indem es aktuelle Dance-Tracks stumpf covert. 1 von 10 Punkten.
79: Jamiroquai – “seven days in sunny june” / Video
Irgendwie hat Jay K seine Inspiration verloren. Oder er wird alt. Oder beides. Zumindest gefallen mir seine neueren Songs nicht mehr so wie es der eine oder andere seiner früheren Schaffenszeit tat. “seven days in sunny june” klingt, als hätte man einen Boyband-Produzenten mit Jay K zusammen gebracht. Eine Akustik-Gitarre, ein Piano, zwar durchaus funkig, aber irgendwie einfach zu weichgespült. 4 von 10 Punkten.
78: Disco Kings – “born to be alive” / Video nicht verfügbar
Puh. Wir nähern uns zwar zwei Höhepunkten der Gegenwarts-Chart-Kritik, aber vorher müssen wir noch durch dieses tiefe musikalische Tal. Zwei Franzosen versuchen, doch noch auf den längst abgefahrenen TekHouse-Zug aufzuspringen und unterlegen Patrick Hernandez’ One Hit Wonder “born to be alive” mit ebensolchen Beats. Spannend ist das aber nicht. Absolut nicht. 1 von 10 Punkten.
73: WestBam – “bang the loop” / Video
16 Jahre nach seiner ersten Top-100-Single kommt Herr Lenz mit einem weiteren Hit. Und wieder klingt der Track irgendwie vertraut, typisch nach Westbam, aber eben doch irgendwie neu. Westbam erfindet seine neue Musik andauernd neu, ohne sich untreu zu werden. In “bang the loop” hört man neben dem üblichen Computer-Schnickschnack auch Gitarrenklänge und die von ihm persönlich eingesungene Hookline “bang the loop”. Basierend auf einem Sample eines 80er/90er-Hits, der mir peinlicherweise gerade nicht einfällt (New Order?) komponiert er einen technoiden Popsong, der extrem eingängig und gleichzeitig cool klingt. Der beste Westbam-Song seit Jahren. 8 von 10 Punkten.
72: Phillip Boa & The Voodooclub – “burn all the flags” / Video
Zwar ist sein neues Album “decadence & isolation” nicht durchgehend sehr gut, aber in der ersten Single “burn all the flags” zeigt der Altmeister des Indiepop, dass er es immer noch kann. Eingängiger, wie immer von Pia Lunds Stimme veredelter Rockpop, der melodiemäßig in einer Linie mit “container love” und all den anderen Hits steht, ohne aber die komplette Weltklasse eben dieser Hits ganz zu erreichen – dazu fehlen Überraschungsmomente. Dennoch: 8 von 10 Punkten.
70: Paul McCartney – “fine line” / Video
Bei Paul McCartney bin ich ja immer noch der Meinung, dass er nach dem Aus der Beatles besser keine Musik mehr gemacht hätte. Zwar klingen seine Songs immer irgendwie nach seiner alten Band, aber es fehlt einfach die Großartigkeit. Mit “fine line” schafft der Pop-Rentner nun den ersten Top-100-Einstieg seit über acht Jahren. Ein neues Publikum wird er mit dem routinierten Pianopopsong aber wohl nicht erreichen. Muss er als Millionär ja auch nicht. 4 von 10 Punkten.
61: Reim – “ich bin nicht verliebt (unverwundbar)” / Video nicht verfügbar
Von seinem einzigen wirklichen Hit “verdammt ich lieb` dich” kommt der alte Mann wohl nie los. Diesmal singt er “ich bin nicht verliebt”, versucht mit einer ähnlichen Melodie und eklig nach billigem Plastik klingenden Beats, an alte (erfolgreiche) Zeiten anzuknüpfen. Leider. 0 von 10 Punkten.
53: Kate Hall – “god’s gift” / Video
Alex Christensens Sternchen, dem er mit “is there anybody out there?!” bereits einen kleinen Hit komponierte, kommt nun mit Single Nummer 2. Ein überaus kommerzieller Pop-Pseudo-Rock-Song, der leicht amerikanisch klingt, sich vom Stil her schamlos bei Jeanette Biedermanns “rockin’ on heavens floor” bedient, dazu etwas von Shania Twain ausleiht und für den Coolness-Faktor noch einen röhrenden Motor bietet. Deutschlands Radiosender werden sich freuen über solche extra für sie produzierte Musik. 2 von 10 Punkten.
52: Danzel – “put your hands up in the air!” / Video
Warum kommt im Jahr 2005 eigentlich noch jemand mit einem Song, in dem er ständig “put your hands up in the air!” ins Mikro gröhlt? Haben das nicht 1347 andere leute schon vor ihm gemacht? Allein Scooter 289 mal? Danzel (bzw. seinen Produzenten) scheint’s egal zu sein. Der belgische Casting-Show-Teilnehmer macht daraus einen ziemlich monotonen Track für die Dorfdiscos dieses Kontinents. 2 von 10 Punkten.
39: Gorillaz – “dare” / Video
Ich bin immer so zwiegespalten bei den Gorillaz. Ich höre die Songs zwar immer wieder ganz gern, aber ich würde mir im Leben kein Album komplett anhören oder sogar kaufen. Dazu ist mir die Musik einfach zu anstrengend. “dare”, die zweite Single des zweiten Albums, ist zwar auch wieder so ein ohrwurmiger, intelligent komponierter Indie-Funk-Pop-Song, den so nur die Gorillaz machen können, aber er trifft einfach nicht komplett meinen Geschmack. Da hilft auch der Gesang von Shaun Ryder (Happy Mondays) nicht. Nett, aber nicht für die (bzw. meine) Ewigkeit. 6 von 10 Punkten.
38: Joana Zimmer – “i’ve learned to walk alone” / Video
Die Karriere der blinden Frau neigt sich auch schon wieder dem Ende zu. Zwar wird sie nicht als richtiges One-Hit-Wonder in die Pop-Geschichte eingehen, aber Platz 38 in der ersten Woche klingt nicht danach, als könnte sie noch mit vielen Millionen rechnen. Der Song ist eine Schmalz-Ballade – mit seltsam gequälter Stimme vorgetragen – bei der einfach die Killer-Melodie fehlt. 2 von 10 Punkten.
31: Doreen – “der brief” / Video
Mein Gott. Wurde jemals eine Stimme so schamlos kopiert? So wie Ex-Nu-Pagadi-Frau Doreen hier singt, klingt sie, als würde sie viel lieber Yvonne Catterfeld sein. Auch der Song selbst könnte von Catterfeld stammen. So substanzlos sollte man eine Solo-Karriere auf keinen Fall starten. Denn dann muss man sich von der PR-Agentur eine angebliche Beziehung mit Rotzlöffel Sido erfinden lassen, um überhaupt ins Gespräch zu kommen. Übel. 2 von 10 Punkten.
15: Fettes Brot – “an tagen wie diesen” / Video
Ach Mensch. Ich mag die drei fetten Brote ja wirklich gern. Zutiefst sympathisch. Aber diese gemeinen Ohrwürmer. Muss das denn immer sein? Klar, der Text zu “an tagen wie diesen” ist eindeutig ein ernstzunehmender, über den man den einen oder anderen Gedanken denken sollte. Aber warum denn auf einem “jeanny”-Sample von Falco aufbauen? Und warum im Refrain stumpfe Worte wie “Wahnsinns-Show” verwenden. Irgendwie strahlt der Song für mich leider eine latente Peinlichkeit aus. Aber sie haben wieder erreicht, dass er nicht raus geht aus dem Kopf. 5 von 10 Punkten.
13: The Rasmus – “no fear” / Video
Es ist etwas still geworden um die Gothic-Pop-Jungs Ville Valo und Lauri Ylönen. Der zweite ist mit seiner Band The Rasmus nun wieder da. Es hat etwas gedauert, um ein zweites Album aufzunehmen. Und wenn man einen Rückschluss von dieser Single zieht, ahnt man auch warum. Wieder einmal hat eine Band sämtliche guten Ideen und Killer-Melodien im ersten Album aufgebraucht und hat nun nichts mehr übrig. “no fear” ist überproduzierte Langeweile. 2 von 10 Punkten.
5: James Blunt – “you’re beautiful” / Video
War ja klar, dass James Blunt auch in Kontinental-Europa Erfolg mit seiner Ballade haben wird. In England war er parallel mit Album und Single auf der 1 und erreichte damit etwas Seltenes. Natürlich ist der Schritt zum üblichen Boyband-Schmalz bei “you’re beautiful” nicht allzu weit, aber meiner Meinung bleibt der Song auf der guten Seite, ist einfach ein wunderschöner Popsong. 7 von 10 Punkten.
Die Top Ten vom 12. September 2005:
01 (01) Tokio Hotel – “durch den monsunâ€
02 (02) Die Firma – “die eine 2005?
03 (04) Marc Terenzi – “love to be loved by you”
04 (03) Juanes – “la camisa negraâ€
05 (–) James Blunt – “you’re beautiful”
06 (08) Rihanna – “pon de replay”
07 (07) Ich + Ich – “dienenâ€
08 (09) Kelly Clarkson – “since u been goneâ€
09 (05) Seeed – “aufstehn!”
10 (12) Ciara feat. Ludacris – “oh”
Ebenfalls erschienen, aber gefloppt:
– Benassi Bros. feat. Dhany – “hit my heart”
– Deus – “7 days 7 weeks”
– Faith Evans – “mesmerized”
– Hansen Band – “kamera”
– Nada Surf – “always love”
– Queens of the Stone Age – “in my head”
– Superjones feat. Ullmann – “alle lieben löwenzahn”
– System of a Down – “question!”